Kapitel.
Epoche.
Altchristlicl] e
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sondern auch die bedeutsameren Hauptfiguren tragen dasselbe Gepräge.
Die Gestalten des guten Hirten, des Daniel, David, Jonas, Moses, die
betenden Frauen hätte die antike Kunst genau ebenso gebildet. Üeber-
raschend ist nun, wie schnell der Kreis bildlicher Darstellungen, noch
streng innerhalb des symbolischen Grundcharakters, sich erweitert, bis
er etwa gegen Ende des dritten Jahrhunderts ahgesehlggggn erscheint
und von da ab tur llang-e Zeit typisch erstarrt. Auch die klassische
Feinheit, die anmuthige Anspruchslosigkeit der Bilder nimmt in dieser
ersten Epoche mehr ab als zu. iDie altehristliche Kunst theilt in for-
mellcr Hinsicht die Geschicke der antiken und vermag sich dem all-
gemeinen Verfall des Kunstgefühls und der Technik nicht zu entziehen_
Aber die antike Formenwelt hatte lange genug vorgehalten, um der
christlichen Kunst ,über ihre Kinderjahre hinaus zu helfen und ihr eine
Sprache zu leihen, in der sie die neuen Gedanken, welche die Welt
zu bewegen anfingen, zu fixiren vermochte. Die ältesten Werke zeigen
ein Ueberwiegen des dekorativen Elementes; so die Weinranken mit
Genien in S. Domitilla, welche De Rossi noch in den Ausgang des
ersten Jahrhunderts setzt, was bei der graziösen Feinheit ihrer Zeich-
nung und dem leichten dekorativen Charakter grosse Wahrscheinlichkeit
hat. Auch jene Madonna mit dem Propheten Jesaias in S. Priscilla,
die sich durch acht antike Lebendigkeit auszeichnet, weist er derselben
Zeit zu. Später sind die Deckengemälde der Januariuskrypta in den
Katakomben des Praetextatus, wo die Dekoration schon das der
christlichen Zeit eigne Ueberwiegen architektonischer Eintheilung zeigt.
In der Nische sieht man den guten Hirten, am Gewölbbogen Sclinitter,
welche mit der Erndte beschäftigt sind, darüber "in vier concentrischen
Streifen Ranken von Rosen, Kornahren, Reben und Lorbeerzweigen,
als Andeutung der Vier Jahreszeiten. Dieses und einige andere Bilder
darf man vielleicht dem zweiten Jahrhundert zuweisen, während die
Mehrzahl der übrigen unter den frühesten Katakombengemälden in's
dritte Jahrhundert gehört.
Eins der schönsten Beispiele von der sinnigen Anordnung dieser
Malereien findet sich in einer der grösseren Kapellen von S. Calisto.
(Fig. 4.) In der Bogennische sieht man den jugendlichen Christus in
der Mitte auf einem Sessel sitzen, mit der Linken eine Schriftrolle
haltend, die Rechte in der Bewegung des Lehrens erhoben. Auf beiden
Seiten umgeben ihn Zuhörende verschiedenen Alters mit dem lebendigen
Ausdruck der Aufmerksamkeit. Der untere Theil der Darstellung ist
durch ein später eingebroclienes Grab zerstört, aber die schön abge-