III.
Kapitel.
florentiner Schule.
Die
Generation.
Zweite
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Sandrds Gemüthsrichtung in der späteren Lebenszeit. Er war nämlich
ein Anhänger Savonarolas und gehörte zu den durch den mystischen
Fanatismus des Bussepredigers hingerissenen Piagnoni (Klagebrüdern),
deren Anschauung der Künstler auf diesem Bilde, dem einzigen viel-
leicht, das seinen Namen trägt, in einer griechischen Inschrift Aus-
druck gegeben hat, welche besagt, dass Sandro diese Tafel im Jahre
1500 gemalt habe „in der Mitte der Zeit nach der Zeit, nach dem
Buch der Offenbarung, wehe, in der Loslassung des Teufels u. s. w."
Von den zahllosen Altarbildern Sandro's ist eins der bedeutendsten
das aus S. Barnaba in die Sammlung der Akademie gelangte (Saal
der grossen Gemälde N0. 52): die in einer Nische thronende Madonna
hält das auf ihrem Schoosse stehende Kind, welches die Hände seg-
nend ausstreckt. Zwei Engel schlagen den Vorhang des Baldachins
zurück, während zwei andre die Leidenswerkzeuge zeigen. Jederseits
stehen drei Heilige zu den Füssen des Thrones, darunter zwei pracht-
volle bischöfliche Gestalten, der jugendschöne Erzengel St. Michael,
der hagere, an Donatellds Ascetik erinnernde Täufer Johannes und die
edle Gestalt der h. Katharina von Alexandrien. Es ist ein Bild von
grossartiger, mit Ghirlandajo wetteifernder Architektonik, voll bedeu-
tender Charaktere, überaus sorgfältig durchgeführt, wenngleich in der
Modellirung nicht frei von plastischen Härten. Ein Hauptbeispiel seiner
beliebten Rundbilder bietet die Madonna der Üffizien (Nr. 1289) die
in nachdenklich wehmüthigem Ausdruck das segnende Kind im Schoosse
hält, während sechs Engel -von beiden Seiten. mit Lilien und Gebet-
büchern die Gruppe umdrängen. Hier ist wieder im Gegensatze zu Fra
Filippo, der solche Scenen voll heitrer, selbst schalkhafter Lust darstellt,
der ernste sinnige, selbst wehmüthige Charakter Sandro's auffallend.
Bei der grossen Anzahl ähnlicher Werke des Künstlers, die man überall
verbreitet findet, ist uns nur Einiges herauszuheben gestattet. S0 das
Rundbild einer Madonna in der Galerie Pitti, ein anderes ebendwt
unter Fig. 357, ein treffliches Altarstück in S. Jacopv di RiPOIi mit
einer figurenreichen Krönung der Madonna, eine einfachere Wieder-
holung desselben Gegenstandes in der Sakristei der Badia zu Volterra,
ein schönes Rundbild der Madonna. mit dem Kinde, dem jungen
Johannes und sechs Engeln in der Galerie Borghese zu Rofm, eine
andre Madonna in der Galerie zu Turin (Nr. 374), ein schönes Rund-
bild, wiederum die Madonna mit dem Kinde, im Museum zu Berlin
(Nr. 102). In kühlem klarem Ton durchgeführt und in der dem
Meister eigenen, zum Theil etwas scharfen plastischen Miodellirung,
L übke, Italien. Malerei. I. 23