348
Buch.
Die
Frührenaissance.
Komposition mit weiser Berechnung in symmetrischem Aufbau ab, aber
mit jener vollkommenen Freiheit, dass Alles wie der natürliche Aus-
Huss des Lebens erscheint. Von hoher Anmuth ist die Madonna, voll
Lieblichkeit das Christuskind, ganz von der Sache ergriffen und in
Andacht versunken die Gestalten der anbetenden Könige, sowohl die
beiden knieenden als auch der schöne Jüngling, der in stiller Samm-
lung dasteht und gesenkten Blickes einen Goldpokal darbietet. Nicht
minder würdevoll sind die daneben Stehenden und Knieenden, unter
welchen der Künstler sich selbst einen Platz eingeräumt hat. Auch
die beiden lieblichen Kinder, Welche mitten in der Gruppe der Heiligen
ebenfalls mit gefalteten Händchen knieen, steigern die schöne Mannig-
faltigkeit. In der Mitte erhebt sich auf Renaissancepfeilern das Dach
der Hütte, vor Welchem vier lobsingende Engel das „Gloria in excelsis"
anstimmen. Zwischen den Pfeilern fällt der Blick auf eine gebirgige
Landschaft, mit einer thürmereichen Stadt an breitem Fluss. Daneben
sieht man dann rechts das Gefolge der Könige und die Verkündigung
an die Hirten, während gegenüber auf der linken Seite unter den
Mauern einer Stadt der Kindermord vor sich geht. Das grossartige
Werk, meisterlich durchgeführt, ist in dem herrlichen Aufbau der
reichen Komposition, der zu voller Freiheit entwickelten architek-
tonischen Symmetrie den Fresken von Sta. Maria Novella ebenbürtig.
Noch manche Altarbilder des Meisters sind zu nennen, meisten-
theils die Madonna thronend mit dem Kinde, von Engeln und Heiligen
umgeben, so in der Sakristei des Doms zu _Lucca eine Madonna mit
vier Heiligen, streng und einfach im Aufbau, klar und licht in der
Farbe, bedeutende scharf ausgeprägteKöpfe. So ferner in Sta. Anna
daselbst zwei ähnliche Tafelbilder aus der früheren Zeit des Meisters.
Ein bedeutendes Werk ist das Altarbild in der Badia zu Volterra,
Welches den Erlöser in einer Glorie von Engeln darstellt, wie er den
untenstehenden Heiligen Benedict und Romuald, und zwei in Verehrung
knieenden Märtyrerinnen seinen Segen ertheilt; ein Werk von gross-
artiger Feierlichkeit. In der Galerie zu Berlin sieht man unter N0. 88
ein grosses Altarbild, das eine Wiederholung der in München befind-
lichen Tafel ist, von schweren braunen Schatten und etwas grellem
Ton, in welchem das Roth, Gelb und Blau gar zu unvermittelt stehen.
Weit besser ist ebendort unter N0. 84 eine thronende Madonna mit
vier Heiligen, kräftig gemalt, aber noch unfrei in den Bewegungen,
wohl aus seiner früheren Zeit. Eins seiner letzten Bilder dagegen
vom Jahre 1491 ist die Heimsuchung im Louvre, zwei edle Frauen-