IIl. Kapitel.
Die florentiner
Schule.
Zweite
Generation.
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Strenge des architektonischen Aufbaues, der wuchtige, Ernst der Männer
erhält an der lieblichen Madonna, dem herzigen, auf ihrem Schooss
sitzenden Kinde und den Engelköpfchen eine Milderung-und die hohe
Mauer mit ihren Gebüschen und Blumeuvasen, welche den Hintergrund
bildet, verleiht der Scene etwas traulich Abgeschlossenes. Es liegt
aber in der etwas steifen Armhaltung der Madonna und der noch nicht
zu voller Freiheit gelösten Rhythmik, sowie in dem ungemilderten
Naturalismus der männlichen Figuren, die selbst noch an Castagno
erinnern, das Gepräge eines in der Entwicklung begriffenen Künstlers.
Die Predella enthält eine Pietät und vier kleine Scenen aus dem Leben
der dargestellten Heiligen. Zu freierem Fluss und höherer Lebens-
fülle entfaltet sich das Gefühl für architektonische Symmetrie in der
aus S. Giusto stammenden thronenden Madonna der Üffizien (N0. 1297).
Hier ist die Madonna von vier Engeln umgeben; dazu kommen die
ritterlichen Jünglingsgestalten der Erzengel Michael und Rafael, wäh-
rend vorn die beiden knieenden Bischöfe Zenobius und Justus im
Ausdruck inbrünstiger Andacht knieen. Auch hier wird die strenge
Feierlichkeit des symmetrischen Aufbaues und die grossartige Kraft
der männlichen Köpfe durch die Schönheit der Madonna, des Kindes
und der Engel gemildert. Die Durchführung in klarem Ton zeugt
von der sorglichsten, selbst etwas mühsamen Vollendung.
Aus dem Jahre 1487 stammt sodann die Anbetung der Könige
in den Uffizien (N0. 1295), ein grosses Rundbild, das eine Menge
von Gestalten in einer freieren und doch symmetrisch fein abgewogenen
Komposition vereinigt. Während die Madonna liebevoll das Kind der
Anbetung des ältesten der drei Könige darreicht, knieen die beiden
andern zu beiden Seiten, der eine wieder mit dem etwas gleichgültigen
Ausblick auf den Beschauer. Zahlreiches Gefolge, zum Theil in blin-
kender Rüstung, füllt zu beiden Seiten den vorderen Plan und lasst
in der Mitte durch die Ruinen eines römischen Prachtbaues den Blick
auf eine mitten im Wasser liegende Stadt frei, die mit ihren Kanälen
an Venedig erinnert und in der zierlichen Durchführung mit iiandrischen
Bildern wetteifert. Die ungemein kraftvolle Färbung ist indess hier
nicht frei von Buntheit, die besonders durch die häuüge Anwendung
von Roth und Gelb bewirkt wird. Eine freie Nachbildung dieses Ge-
mäldes findet sich unter N0. 358 in der Galerie Pitti.
Die schönste aller Altartafeln Ghirlandajds ist aber die grosse
Anbetung der Könige in der Kirche der Innocenti, vom Jahre 1488,
Hier steht der Meister auf seiner Höhe; hier stuft er die reiche