Volltext: Geschichte der Italienischen Malerei vom vierten bis ins sechzehnte Jahrhundert (Bd. 1)

III. 
Kapitel. 
Die 
Schule. 
florenti ner 
Generation. 
Zweite 
345 
bat ihn, von der Erfüllung dieser Bedingung abzustehen, und der 
grossherzige Künstler willigte in dies Verlangen. Als es indess später 
dem Meister übel erging, erhielt er von den Tornabuoni ein Ehren-_ 
geschenk von 100 Dukaten. 
Wie gross die schöpferische Kraft Ghirlandajds war, erkennen 
wir aus der ansehnlichen Zahl von Altarbildern, die er neben seinen 
Wandgemälden in der kurzen Lebensfrist, die ihm vergönnt war, aus- 
geführt hat. Dahin gehört zunächst die Altartafel für die Cappella 
Sassetti, jetzt in der Sammlung der Akademie, bezeichnet mit 1485. 
Sie stellt die Geburt Christi und seine Anbetung durch die Hirten dar. 
In den Trümmern eines römischen Prachtgebäudes sieht man das Kind, 
das nach der Weise Fra Filippds das Händchen zum Munde führt, 
von der links knieenden Mutter und gegenüber von zwei knieenden 
und einem stehenden Hirten verehrt. In der Mitte des Bildes steht ein 
reichgeschmückter antiker Sarkophag, als Krippe für Ochs und Esel, 
neben welchem Joseph kniet, _der mit der Hand über den Augen in 
die Ferne schaut, wo der glänzende Zug der h. drei Könige vom 
Gebirge herabsteigt. Weiter erkennt man in der Landschaft die Engel, 
welche den Hirten auf dem Felde die frohe Botschaft verkünden. Das 
Bild enthält ähnliche Züge lehensvoller Weltwirklichkeit, wie sie zuerst 
Fra Filippo in solche Darstellungen eingeführt. Die junge Mutter ist 
lieblich ernst, der Ausdruck des edlen Gesichts zeigt stille Sammlung, 
die gefalteten Hände sind fein gezeichnet, das Kind voll zarter Anmuth. 
Besonders markig sind die Charaktergestalten der Hirten, von denen 
der eine den andern auf das Wunder hinweist. Eine Stadt an einem 
Flusse, der sich durch die Landschaft schlängelt, und ein Triumph- 
bogen auf der Strasse der Könige vollenden den Reichthum des Hinter- 
grundes. Das Kolorit, in Tempera durchgeführt, zeigt ernste Kraft 
in einem tiefen goldbräunlichen Tone. Das ganze Werk athmet 
männliche Gediegenheit. 
Das Altarwerk aus dem Chor von Sta. Maria Novella, ein, Tri- 
ptychon, ist zerstreut worden; das Mittelbild und die Flügel sieht man 
jetzt in der Pinakothek zu München. Ersteres enthält die Erscheinung 
der Madonna, von schwebenden Engeln begleitet, vor den h. Dominikus 
und Michael, Johannes dem Täufer und dem Evangelisten. Es ist ein 
Werk von hohem Werthe, von gediegenster Vollendung, besonders der 
h. Michael eine Gestalt von jugendlicher Schönheit. Die Seitenflügel 
zeigen die h. Katharina von Siena und St. Laurentius, lebensgrosse 
Gestalten von freier Würde, in kräftiger, nur etwas bunter Farbe.
	        
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