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Buch,
Frührenaissance.
Die
die Figuren selbst bilden eine schön aufgebaute Gruppe, lebendig be-
wegt in jenem freien architektonischen Rhythmus, jener von Leben
durchpulsten Symmetrie, die eine der grossen Eigenschaften des Meisters
ausmacht. In den Pferden, die bei demiGefolge der Könige vielfach
vorkommen, steht er dem Benozzo nicht gleich. Man darf aber nicht
vergessen, dass solche grossräumige Werke nur mit starker Betheiligung
von Schülern und Gehülfen auszuführen waren, und dass manche
Nebensachen solchen geringeren Händen überlassen blieben. Die zahl-
reich angebrachten Porträtfiguren scheint der Meister sich überall
selbst vorbehalten zu haben, denn sie gehören zum Besten und Lebens-
vollsten ihrer Art: begreiflich bei dem hohen Werth, welchen die Zeit
auf Bildnissdarstellung legte.
Der nun folgende Kindermord ist eine von jenen Scenen, in
welchen die heftigen Bewegungen, die rennenden Figuren mit den
ilatternden Gewändern und den scharfen spitzen Knieen die Härten
und Ünvollkommenheiten im Stil Ghirlandajds am meisten erkennen
lassen. Die Motive an sich dagegen sind voll dramatischer Gewalt,
voll historischen Stils und Kühnheit der Erfindung, so namentlich der
in der Mitte des Bildes vorn durch ein zusammenbrechendes Pferd
niedergeworfene Söldner, der sich mit dem Schilde zu decken sucht,
während er sich mit der Rechten auf den Boden stützt. Die Scene
wird dadurch noch lebendiger, dass auch der Reiter zu Boden ge-
worfen wird und sich angstvoll an den Hals des Rosses anklammert.
Hier ist eine Grösse des Stils, die uns RafaePs historische Compo-
sitionen vorahnen lässt. Gäbe es nicht einzelnes Unfreie und Befangene,
so wäre die volle Höhe bereits erreicht. Ein plastisch geschmückter
Triumphbogen nach dem Vorbild des Constantinischen schliesst den
Mittelgrund. Das Bogenfeld enthält den Tod und die Himmelfahrt
der Madonna. Obwohl auch diese Composition stark gelitten hat,
erkennt man recht wohl die ergreifende Schönheit der mittleren Gruppe,
Wo die klagenden Jünger und Angehörenden die Bahre umringen, auf
welcher mit den matronalen Zügen einer vielgeprüften Dulderin die
Mutter des Herrn ausgestreckt liegt. Die etwas schwächere Durch-
bildung der Gestalten scheint auf dieselbe Hand hinzuweisen, welche
wir in der Krönung der Jungfrau fanden.
Auf der gegenüberliegenden Wand beginnt das Leben des Jo-
hannes mit der Darstellung des Zacharias, dem beim Opfer am Altare
der Engel erscheint. Der Engel mit seinen flatternden Gewändern ist
eine jener häufig bei Ghirlandajo vorkommenden Gestalten, in denen