Kapitel.
Horentiner
Die
Schule.
Generation.
Zweite
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Baldovinetti und seinen Schwager Bastiano Mainardi dargestellt. Die
Geburt der h. Jungfrau giebt uns den Blick in eine Horentinische Wochen-
stube der Zeit, aber in fürstlich reicher Ausstattung mit architektonischen
und plastischen Prachtformen. Während zwei Frauen im Begriff sind
das Kind zu baden und eine Dienerin in fliegenden Gewändern mit
Wasser herbeieilt, richtet sich die Wöchnerin im Bette auf, um den
Besuch einiger vornehmen Horentinischen Damen zu empfangen, welche
in milder Gelassenheit nahen. Prachtig ornamentirte Pilaster, Gesimse
und Wandfelder, sowie die Nachbildung von MaYmOrfPieSen mit musi-
zirenden Kindern geben dem Raum ein festliches Gepräge. Der Meister
hat hier in den unteren Wandfeldern seinen Namen angebracht. Die
Darstellung Maria im Tempel ist wieder eine Scene, Welche sich durch
reiche Architektur und besonders durch schöne Gruppen von Jung-
frauen auszeichnet. Bei der Bewegung der die Tempelstufen hinauf-
steigenden und etwas unpassend aus dem Bilde herausblickenden Maria
lässt sich eine gewisse Härte und Steifheit nicht verkennen, die über-
haupt bei Darstellung von raschem schreiten oder Laufen an Ghirlandajo
öfter auffallt. Würdevoll ist die Gestalt des Hohenpriesters, der freund-
lich die Nahende empfängt. Nicht minder grossartig die beiden Greisen-
gestalten in orientalischem Kostüm, die den Vordergrund beleben;
neben ihnen die nackte Figur eines auf der Tempelstufe Sitzenden,
ein bemerkenswerthes Zeugniss anatomischer Studien. Von festlicher
Pracht ist wieder die Vermählung der Madonna, die vor einer reichen
Basilikenhalle sich vollzieht. Die Hauptgruppe des Hohenpriesters und
der beiden Verlobten ist voll vornehmer Würde und kirchlicher Feier.
Prächtig sind auf der linken Seite die Gruppen zuschauender Frauen
und Jungfrauen, anmuthig auf der Rechten die Freier und die Spiel-
leute; minder gelungen ein hastig herbeilaufender Mann, der mit ge-
ballter Faust seine Entrüstung ausspricht und von zwei anderen ver-
spottet wird. Es ist wieder eine von den Gestalten mit flatternden
Gewändern und hastiger Bewegung Wie sie Ghirlandajo liebt. Auch
ein paar herbeilaufende Kinder in langen Hatternden Röcken gehören
zu den Eigenheiten, denen wir oft bei ihm begegnen; seltsam genug
nämlich sind es nicht eigentlich Kinder, sondern Erwachsene in ver-
kleinertem Maassstab. In der Darstellung des Kinderlebens ist Benozzo
ihm überlegen; der Ernst, die Sammlung, die Würde scheint bei
Ghirlandajo die naive Heiterkeit der Kinderwelt fast auszuschliessen.
In der Anbetung der Könige, die sehr gelitten hat, sehen wir durch
einen zerbrochenen römischen Triumphbogen in eine liebliche Landschaft;