Volltext: Geschichte der Italienischen Malerei vom vierten bis ins sechzehnte Jahrhundert (Bd. 1)

Kapitel. 
Horentiner 
Die 
Schule. 
Generation. 
Zweite 
341 
Baldovinetti und seinen Schwager Bastiano Mainardi dargestellt. Die 
Geburt der h. Jungfrau giebt uns den Blick in eine Horentinische Wochen- 
stube der Zeit, aber in fürstlich reicher Ausstattung mit architektonischen 
und plastischen Prachtformen. Während zwei Frauen im Begriff sind 
das Kind zu baden und eine Dienerin in fliegenden Gewändern mit 
Wasser herbeieilt, richtet sich die Wöchnerin im Bette auf, um den 
Besuch einiger vornehmen Horentinischen Damen zu empfangen, welche 
in milder Gelassenheit nahen. Prachtig ornamentirte Pilaster, Gesimse 
und Wandfelder, sowie die Nachbildung von MaYmOrfPieSen mit musi- 
zirenden Kindern geben dem Raum ein festliches Gepräge. Der Meister 
hat hier in den unteren Wandfeldern seinen Namen angebracht. Die 
Darstellung Maria im Tempel ist wieder eine Scene, Welche sich durch 
reiche Architektur und besonders durch schöne Gruppen von Jung- 
frauen auszeichnet. Bei der Bewegung der die Tempelstufen hinauf- 
steigenden und etwas unpassend aus dem Bilde herausblickenden Maria 
lässt sich eine gewisse Härte und Steifheit nicht verkennen, die über- 
haupt bei Darstellung von raschem schreiten oder Laufen an Ghirlandajo 
öfter auffallt. Würdevoll ist die Gestalt des Hohenpriesters, der freund- 
lich die Nahende empfängt. Nicht minder grossartig die beiden Greisen- 
gestalten in orientalischem Kostüm, die den Vordergrund beleben; 
neben ihnen die nackte Figur eines auf der Tempelstufe Sitzenden, 
ein bemerkenswerthes Zeugniss anatomischer Studien. Von festlicher 
Pracht ist wieder die Vermählung der Madonna, die vor einer reichen 
Basilikenhalle sich vollzieht. Die Hauptgruppe des Hohenpriesters und 
der beiden Verlobten ist voll vornehmer Würde und kirchlicher Feier. 
Prächtig sind auf der linken Seite die Gruppen zuschauender Frauen 
und Jungfrauen, anmuthig auf der Rechten die Freier und die Spiel- 
leute; minder gelungen ein hastig herbeilaufender Mann, der mit ge- 
ballter Faust seine Entrüstung ausspricht und von zwei anderen ver- 
spottet wird. Es ist wieder eine von den Gestalten mit flatternden 
Gewändern und hastiger Bewegung Wie sie Ghirlandajo liebt. Auch 
ein paar herbeilaufende Kinder in langen Hatternden Röcken gehören 
zu den Eigenheiten, denen wir oft bei ihm begegnen; seltsam genug 
nämlich sind es nicht eigentlich Kinder, sondern Erwachsene in ver- 
kleinertem Maassstab. In der Darstellung des Kinderlebens ist Benozzo 
ihm überlegen; der Ernst, die Sammlung, die Würde scheint bei 
Ghirlandajo die naive Heiterkeit der Kinderwelt fast auszuschliessen. 
In der Anbetung der Könige, die sehr gelitten hat, sehen wir durch 
einen zerbrochenen römischen Triumphbogen in eine liebliche Landschaft;
	        
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