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Die Frührenaissance.
Christi darstellend, ist untergegangen. Um dieselbe Zeit entstanden
mehrere Fresken in S. Gimignano, so vom Jahre 1482 eine Ver-
kündigung in der Collegiata, und etwas später, vor 1485, Scenen aus
dem Leben der h. Fina in der Kapelle dieser Heiligen ebendaselbst.
Sodann folgt 1485 der bedeutende Freskcncyclus in der Cappella
Sassetti in Sta. Trinita zu Florenz. Hier tritt zum ersten Mal das
Ergebniss der bedeutenden Anschauungen der antiken Denkmälerwelt
hervor, welche Rom dem Künstler gewährt hatte, und zwar nicht bloss
in der reichen architektonischen Einfassung der einzelnen Bilder, son-
dern in dem Einstreuen von antiken Reliefs, Kaiserbildnissen und
Ornamenten aller Art, die über das Ganze den Zauber antiker Anmuth
verbreiten. An drei Seiten der Kapelle sieht man in sechs grossen
Bildern Scenen aus dem Leben des h. Franziskus, an der Altarwand
ist der Stifter der Kapelle Francesco Sassetti mit seiner Gemahlin
Nera dargestellt. An den Gewölbfeldern vier Sibyllen. Zuerst sieht
man wie Franziskus auf seine irdischen Güter verzichtet, um sich dem
Himmel zu weihen; dann folgt die Bestätigung seiner Ordensregel
durch den Papst Honorius III, wobei die Scene nach Florenz auf den
Platz der Signoren neben dem Palazzo vecchio und der Loggia de'
Lanzi verlegt, und zahlreiche Bildnisse von Zeitgenossen, darunter
Lorenzo de' Medici beigefügt sind. Weiter sieht man wie Franziskus
vor dem Sultan sich zur Flammenprobe erbietet, eine Probe, welche
bekanntlich Wenige Jahre darauf, auf demselben Platze, Savonarola in
so furchtbarer Weise an sich erfahren sollte. Dann folgt die Stigmati-
sation des Heiligen, die Auferweckung des Kindes aus dem Hause
Spini, wobei der Platz vor Sta. Trinita dargestellt ist; endlich der Tod
und die Bestattung des h. Franziskus, eine jener feierlichen Scenen,
wie sie schon seit Giotto für solche Gegenstände herkömmlich waren,
hier aber freilich durch ergreifende Tiefe des Ausdrucks und Macht
der Charakteristik auf's Höchste gesteigert. (Fig. 105.) In diesen
Werken ist die Grösse des historischen Stils, die energische Macht der
Charakteristik, die ruhige Feierlichkeit der Schilderung verbunden mit
einer koloristischen Durchbildung, nach welcher der Künstler bis dahin
vergeblich gerungen hatte.
An diese Werke sollte sich ein noch grösserer Cyclus schliessen,
als Ghirlandajo den Auftrag erhielt, an Stelle der schadhaften Fresken
Orcagna's im Chor von Sta. Maria Novella eine neue malerische
Ausschmückung diesem bedeutenden Raume zu geben. Die Entstehungs-
geschichte dieser Werke ist zugleich ein interessantes Beispiel von dem