Kapitel.
III.
florentimler Schule.
Die
Zweite
Generation.
337
Wenigen, was von diesen Werken erhalten ist, gehört die Kolossal-
figur des h. Zenobius neben zwei Heiligen in einer meisterlich gemalten
Nische, ein Werk, an Welchem man die zunehmende Sicherheit des
Künstlers in der Anordnung und Ausführung erkennt, obwohl er in
der Technik auch hier noch nicht auf der Höhe steht. In der Lünette
des gemalten Bogens brachte er die Madonna mit dem Kinde, von
zwei Engeln verehrt, grau in grau als gemaltes Basrelief an. Daneben
in ebenfalls gemalten Flachnischen und zwar in den Lünetten antike
Figuren als Vertreter republikanischer Bürgertugend: Brutus, Scävola,
und Camillus, Decius, Scipio und Cicero, in den Zwickeln Medaillons
mit römischen Kaiserbildnissen, alles dies sammt der reichen, in
antikem Sinn behandelten Ornamentik lebendige Zeugnisse von der
Begeisterung für das klassische Alterthum. Üm aber dem Florentiner
zugleich die Erinnerung an seine Vaterstadt nahe zu legen, sieht man
in der Oeifnung der gemalten Bogenhalle Sta, Maria del fiore mit
Giottds Facade und dem Campanile.
Die volle Höhe seiner Kunst erreicht Ghirlandajo in seinem
Fresko der sixtinischen Kapelle zu Rom, das die Berufung des
Petrus und Andreas zum Apostelamt darstellt (Fig. 104). In einer
reichen Landschaft, die den Blick auf den See von Genezareth ge-
währt, sieht man die beiden würdigen Gestalten der Apostel vor Christus
knieen, der in feierlicher Bewegung auf sie zutritt und sie zum Lehr-
amte einweiht. Auf beiden Seiten in geziemender Entfernung, so dass
die Hauptgruppe herausgehoben und in ihrer selbständigen Bedeutung
markirt wird, dichte Schaaren von Zuschauern, grossentheils Porträts
im Zeitcostüm. Im Hintergrunde erscheint Christus noch Zweimal
lehrend an den Gestaden des See's. Die offene Heiterkeit der Land-
schaft, an deren Hügelgelanden sich Burgen und Städte erheben und
Xauf deren schön gezeichneten Felspartieen sich anmuthige Baumgruppen
erheben, steigert noch den Eindruck dieser Figuren, die in ihrer wuch-
tigen Grösse, den mächtigen Charakteren, dem breiten Faltenwurf an
Masaccio erinnern. In der That ist der Eindruck seiner grossen Kom-
position mit dem Zinsgroschen hier unmittelbar zu spüren. Gegen-
über der vielfach in's Novellistische und Genrehafte verfallenden Kunst
so vieler Zeitgenossen herrscht hier echter historischer Stil in gross-
artiger Ausprägung. Auch in der Technik verräth dies Werk einen
bedeutsamen Fortschritt, breite harmonische Massen, entwickeltes Hell-
dunkel, kraftvolle und doch nicht zu scharfe Modellirung. Ein zweites
Fresko Ghirlandajds in der sixtinischen Kapelle, die Auferstehung
L übke, Italien. Malerei. I. 22