322
Buch.
Frührenaissance.
Die
Seine erste Arbeit hier Waren die Fresken, mit welchen er die Kapelle
im Palazzo Medici, jetzt Palazzo Riccardi schmückte. Er stellte an
den Wänden des kleinen Raumes den Zug der heiligen drei Könige
nach Bethlehem dar und schuf ein Werk, das an lebensvoller Anmuth,
phantastisch heitrer Pracht, liebenswürdiger Empfindung in der ganzen
Epoche kaum seines Gleichen hat. Gestalten von herrlicher Jugend-
schönheit und männlicher Kraft in der reichen ritterlichen Tracht der
Zeit, in goldschimmernden Brokatgewändern, auf prachtvoll gezäumten
und geschirrten Rossen, reiten sie durch eine reiche Gebirgslandschaft
dahin, von zahlreichem Gefolge, von Pagen zu Fuss und von Reisigen
zu Boss begleitet. (Fig. 100.) Man sieht den Zug durch die Hohlwege
des zerklüfteten Gebirges von der Höhe in mannigfachen Windungen
herabkommen; dazwischen fehlt es nicht an fröhlichen Jagdscenen, wo
ritterliche Gestalten dem fröhlichen Waidwerk obliegen, so dass das
Ganze das heitere vornehme Leben jener Zeit trefflich schildert. In
dem reichen Gewimmel von Gestalten sind mit scharfer Porträtwahrheit
sämmtliche Mitglieder der Familie Medici sammt ihren Angehörigen
vorgeführt. Die Landschaft ist unermesslich reich an Einzelheiten,
an saftigen Wiesengründen, dichtem Gebüsch aller Art, verschiedenen
Baumgruppen, darunter Cedern und Cypressen, die Einzelformen oft
noch nach steifer conventioneller Schablone ausgeführt; besonders auf-
fallend ist die starre Baumkuchenform der Felsen, in welcher immer
noch Cenninfs Vorschrift von der Nothwendigkeit sich grosse Steine
in der Werkstatt zu halten und danach zu zeichnen, nachklingt. Sehr
gediegen zeigt sich der Künstler nicht bloss in seinen Porträtgestalten,
sondern auch im Studium des Pferdes, das er in mannigfachster Be-
wegung und in den schwierigsten Verkürzungen von vorn und von
hinten gesehen verführt. Das ganze Werk ist ein interessantes Gegen-
stück zu den Reitergruppen auf dem Genter Altar der Brüder van Eyck,
mit dem es zwar nicht an minutiöser Feinheit der Durchbildung, wohl
aber an unerschöpflichem Reichthum des Naturlebens wetteifern kann.
So zieht sich der reiche Zug ohne irgend eine Unterbrechung
rings an den Wänden hin. An den zwei schmalen Wänden vor der
Altarnische ist die Verkündigung der Geburt Christi an die Hirten
dargestellt, im Altarraume selbst sieht man ein ganzes Paradies von
Engelchören, die theils schwebend, theils knieend, Blumen pflückend,
lobsingend und anbetend, in reiche Gewänder gekleidet und mit schil-
lernden Pfauenfiügeln versehen, den Raum mit strahlender Jugend-
schönheit erfüllen, obwohl der Ausdruck des Singens, der dem Künstler