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Buch.
Frührenaissance.
Die
seiner Städte, Flecken und Villen aufweist. So schildert er uns mit
einer erstaunlichen Wahrheit die ganze Breite des Kulturlebens seiner
Zeit, so dass seine Werke schon als Denkmal der Kulturgeschichte
einen hervorragenden Werth behaupten. Allerdings wird durch diese
Ueberfülle der einfache Gedankeninhalt in seinem Kern oft gänzlich
überwuchert. Die Episoden verschlingen häufig den geschichtlichen
Vorgang und umspinnen ihn wie der üppige Epheu den Eichbaum. Aus
dem Legendenerzähler wird ein unermüdlich plaudernder Märchen-
erzähler, dem man gerne lauscht, 0b er sich auch durch die kindliche
Lust am Einzelnen zu unabsehbaren Abschweifungen verleiten lässt.
Dabei passirt ihm manche Menschlichkeit, manche Flüchtigkeit in der
Zeichnung und Modellirung, selbst in der Perspektive, so dass er in
dieser Hinsicht an die späteren Giottisten erinnert. Auch in der
technischen Behandlung ist er ungleich, bisweilen namentlich in der
Modellirung nicht ohne ein scharfes, hartes Wesen, das wieder an die
Plastik der Zeit, namentlich die Erzarbeit erinnert. Alles in Allem
ist er ein Meister, der zwar nicht die höchsten Anforderungen befrie-
digt und den tieferen Sinn anregt, aber doch durch die unerschöpf-
liche Lebendigkeit fesselt und vor allen Zeitgenossen das Prädikat der
Liebenswürdigkeit verdient.
Das erste, was wir von Benozzo's selbständigem Auftreten er-
fahren, ist seinVersuch 1449 die durch seines Meisters Fiesole Abgang
unterbrochene Arbeit im Dom zu Orvieto zu erhalten. Da die Be-
hörden, nachdem er eine Probe abgelegt, sieh zu seiner Berufung nicht
entschliessen konnten, wandte er sich nach Montefaleo bei Foligno,
wo man ihn mit ansehnlichen Aufträgen betraute. Ausser einer Madonna
am Portal von S. Fortunato malte er in derselben Kirche eine Ver-
kündigung, sodann am Hochaltar die Verherrlichung des Heiligen und
an einem andern Altar die Geschichte des h. Gürtels, letztere jetzt zu
Rom im Museum des Lateran befindlich. Diese Arbeiten stehen den
Werken Fra Angelico's so nahe, dass man sie zum Theil ihm bei-
gelegt hat. Die Inschrift giebt neben dem Namen des Meisters die
Jahreszahl 1450. Einen vollständigen Freskencyclus führte er sodann
in derselben kleinen Stadt im Chor der Kirche S. Francesco aus,
laut inschriftlichem Zeugniss 1452 vollendet. In zwölf Scenen erzählt
er hier das Leben des h. Franz und fügt dazu Medaillons mit Brust-
bildern von Heiligen, denen er bezeichnend genug Dante, Giotto und
Petrarca beigesellt. Auch diese Werke sind voll edlen Gefühls in der
Weise Fiesole's, aber doch schon durchweht mit realistischen Einzel-