318
Buch.
Frührenaissance.
Die
lernte er indess bei diesem die Gediegenheit strenger Formausprägung
und das Streben, diesem Zweck auch die malerischen Mittel dienstbar
zu machen. Wenn man Zeichnungen Verrocchids sieht, wie das
berühmte Sepiablatt eines Pferdes, in der Sammlung des Louvre, so
begreift man vollkommen die Höhe seines künstlerischen Naturells.
Es ist offenbar eine Studie nach einem der Bronzepferde von S. Marco,
die als kostbare Kunstbeute von Konstantinopel entführt, über dem
Portal der Hauptkirche Venedigs prangen: ohne Zweifel eine der
vorbereitenden Studien für die Ausführung des Reiterbildes Oolleoni's.
Schaut man sich nach andern Gemälden Verrocchi0's um, so
dürfte keines der in den verschiedenen Galerien ihm beigelegten so
viel Anrecht auf seinen Namen haben, wie die köstliche Madonna der
Nationalgalerie zu London (N0. 296), dort ehemals als Ghirlandajo,
dann als Pollajuolo bezeichnet. Die Jungfrau sitzt mit gefalteten Händen
und schaut dankbar anbetend auf das Christuskind herab, das wie ein
liebliches Wunder ihr im Schoosse liegt und eine Beere an die Lippen
führt. Ein schöner Engel unterstützt es dabei, während ein andrer
gegenüber eine Lilie hält. Eine anmuthige Landschaft schliesst den
Grund. Es ist eins der herrlichsten Tafelbilder jener Zeit, von einer
goldigen Klarheit der Carnation, einer Feinheit des Tons, einer Durch-
sichtigkeit der Schatten, einem Adel der Zeichnung und einer Strenge
in der Durchbildung der Form, wie wenige gleichzeitige Werke. Die
Gewänder sind ganz licht, scharf gezeichnet und in freiem Fluss ent-
wickelt, die Hände besonders edel, der Kopf der Madonna zeigt jenen
breitstirnigen Typus, den man bei den Lippi und bei Sandro findet, das
Christuskind hat den dicken Kopf auf kurzem Halse, der besonders
für Lorenzo di Credi bezeichnend ist. Die Durchführung mit allerlei
Schmuck und zierlichen Gewandsäumen verräth den Geist eines Gold-
schmiedes, so namentlich auch der rothe golddurchwirkte Vorhang.
Endlich sind die Engel von so strahlender Jugendschönheit, und der
eine hat solch schwärmerischen Ausdruck, dass man an den vorderen
Engel auf der Taufe Christi erinnert wird und sich unwillkürlich fragt,
0b man nicht ein Jugendwerk Lionardo's vor sich hat.
Während bei dieser Künstlergruppe von der überaus viel-
seitigen Thätigkeit nur ein kleiner, Theil auf die Malerei fällt, tritt
nun eine Reihe von Meistern auf, durch deren Schaffen diese Kunst
ihre reichste und breiteste Entfaltung erfährt. Da ist zunächst Benozzo
Gozzoli, eigentlich Benozzo di Lese, der 1424 in Florenz geboren Ward
und bei Fra Angelico die Malerei erlernte. Als Gehülfen seines Meisters