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Die Frührenaissance.
besonders in dem nackten Körper des Heiligen mit der plastischen
Durchbildung der Form sich glücklich verbindet, alle diese Eigen-
schaften verleihen dem Werke eine nicht gewöhnliche Bedeutung.
Geringerer Art ist die Krönung der Jungfrau mit zahlreichen Engeln
und sechs verehrenden Heiligen im Chor der Pieve zu S. Gimignan o,
bezeichnet als Werk des Piero, von 1483 („Piero del Pollaiuolo
Florentinou). Sehr interessant endlich ist eine grosse Tafel mit der
Verkündigung im Museum zu Berlin (N0. 73) wegen der aussor-
ordentlichen Kraft der Modellirung und der sehr tiefen und Warmen,
aber zähen und fetten Farbe. Zugleich merkwürdig wegen der bunten
Üeberladung mit architektonischem und allerlei andrem schmückenden
Beiwerk. Bilder dieser Art verrathen deutlich die Abstammung von
der herben Formbezeichnung Castagnds. Von dem Compositionstalent
der Pollajuoli geben die nach ihren Zeichnungen durch Paolo da Ve-
rona ausgeführten prachtvollen Stickereien im Schatze des Bap-
tisteriums zu Florenz glänzendes Zeugniss. In feinster farbiger Dar-
stellung enthalten sie das Werk sechsundzwanzigjährigen Fleisses,
Scenen aus der Geschichte Johannes des Täufers; ein Beweis von der
künstlerischen Pracht, welche sich selbst auf die Herstellung der Mess-
gewänder erstreckte.
Gleich den Pollajuoli war auch Andrea cZeZ Vewocchio, geb. 1435
in Florenz, in erster Linie Goldschmied und Erzarbeiter, der sich
durch zahlreiche plastische Werke von hoher Gediegenheit in ähnlicher
Richtung hervorgethan hat. Von ihm stammen u. A. die Grabmäler
des Lorenzo und Piero de' Medici in S. Lorenzo, eine Bronzestatue des
David im Museum des Bargello, die köstliche Brunnentigur im Hofe
des Pa.lazzo Vecchio, die bedeutsame Gruppe des h. Thomas und
Christus in einer Nische von Orsanmichele und endlich das Modell der
nachmals von Alessandro Leopardo vollendeten gewaltigen Reiterstatue
Colleoni's zu Venedig, wo Verrocchio 1488 starb. In ihm erkennen
wir einen der vielseitigsten Künstler, denn nach Vasarfs Zeugniss war
er Goldschmied, Meister in der Perspektive, Bildhauer und Holz-
Schnitzer, Maler und Musiker. Das einzige beglaubigte Bild seiner
Hand ist die sehr bedeutende Taufe Christi, für das Kloster S. Salvi
gemalt, jetzt in der Akademie (Fig. 99). In schöner stiller Land-
schaft, über welcher der poetische Hauch der Einsamkeit ruht, sieht
man Christus im durchsichtigen Gewässer eines Baches stehen, mit
dem Ausdruck inniger Sammlung die Hände vor dem Täufer faltend,
der in lebhaft ausschreitender Bewegung das Taufwasser über sein