314
Buch.
Frührenaissance.
Die
unterscheiden sein wird, wenn man nicht annehmen will, dass die mehr
malerischen auf ihn , die mehr plastischen auf den älteren Bruder zu
beziehen seien. Beide Brüder starben in Rom, Piero um 1496, Antonio
1498. Sie scheinen beide, namentlich der ältere, zu grosser Wohl-
habenheit gekommen zu sein, was wohl hauptsächlich auf den Betrieb
ihrer Gold- und Silberschmiedewerkstatt zu setzen ist. Piero hinter-
liess seinem Bruder ein Landstück bei Pistoja im Werth von 300 Lire,
Antonio aber konnte seinen beiden Töchtern je ÖOOO Golddukaten
vermachen.
Unter ihren Gemälden sind zunächst sechs Allegorien von Tugenden
zu nennen, ursprünglich für das Handelstribunal gemalt, jetzt in den
Uffizien, wo die Prudentia unter N0. 1306 aufgestellt ist. Es ist
eine schlanke Figur, in einer gemalten Nische thronend, in reicher
Tracht mit Goldornamenten, die Formen mit voller Bestimmtheit
plastisch durchgebildet, die Gewandung von freiem Fluss, die Farbe
kräftig und dabei klar und frisch, offenbar in Oel ausgeführt. Es ist
eine Arbeit ,'Y welche in seltener Weise plastische und malerische Vor-
züge vereinigt. Inderselben Sammlung sieht man zwei kleine Bilder,
Herkules mit Antäus und mit der Hydra kämpfend, auf zierlichem
landschaftlichem Hintergrund, Arbeiten von trefflicher plastischer Durch-
bildung, die ein genaues Studium der Anatomie und der Antike "ver-
rathen. Ebendort befindet sich eine Tafel mit den heiligen Jakobus,
Eustachius und Vincenz, ursprünglich für S. Miniato im Auftrag des
Kardinals von Portugal gemalt, bedeutende Gestalten, von grosser
Kraft und Tiefe des Kolorits, die höchst individuellen Köpfe von
fesselndem Ausdruck. Das Interesse an lebensgrossen Aktfiguren zeigt
der heilige Sebastian in der Galerie Pitti. Üngleich bedeutender
aber ist das Martyrium desselben Heiligen, welches 1475 um 300 Scudi
für die Familienkapelle der Pucci in der Annunziata gemalt wurde,
jetzt in der Nationalgalerie zu London (Fig. 98). Es ist ohne Frage
das malerische Hauptwerk der Pollajuoli. In der Gestalt des Heiligen,
in den sechs Bogenschützen, welche in den mannigfaltigsten Stellungen
die Armbrust spannen _0der Pfeile auf den erhöht an einem Baum-
stamm befestigten Heiligen abschiessen, in dem reichen landschaft-
lichen Hintergründe mit verschiedenen kleineren Scenen und einem in
antiken Formen reich durchgeführten Gebäude haben die Künstler ihr
ganzes Wissen von der menschlichen Gestalt und ihrer Bewegung, von
der Verkürzung und der Perspektive, von architektonischen, plastischen
und landschaftlichen Formen auf eine Fläche zusammen gedrängt. Mali