II. Kapitel.
Die
Schule.
florentiner
Erste
Generation.
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von einem Kreise theils stehender, theils knieender Verehrer umschlossen,
eine Scene voll feierlicher Sammlung. (Fig, 94) Bezeichnend ist auch
hier wieder die Bescheidenheit und Einfachheit der architektonischen
Umgebung. Dass ein Theil dieses Bildes, und zwar von der Auf-
erweckung des Knaben, durch Filippino Lippi vollendet worden ist,
wird durch die Ausführung selbst bestätigt. Vasari berichtet, dass er
dabei Bildnisse von Zeitgenossen angebracht habe, wie denn der Königs-
sohn selbst den Maler Francesco Granacci darstellen soll. Man erkennt
in diesen Werken eine Kunst, die statt der grossartigen Machtfülle
Masaccids wenigstens durch den Reichthum individuellen Lebens zu fes-
seln weiss. Die übrigen Bilder der Kapelle verrathen auch in der Erin-
dung die Urheberschaft Filippinds und sind daher später zu besprechen.
Leider sind die übrigen Werke Masaccids untergegangen. Nur
ein Fresko der Dreieinigkeit ist erhalten, ehemals am Lettner, jetzt
rechts vom Eingange in Sta. Maria novella in die Wand eingelassen
und neuerdings leiderdurch Restauration fast völlig vernichtet. Doch
sieht man noch in einer cassettirten Bogenhalle von meisterlicher Per-
spektive, deren Formen den Geist Brunelleschfs athmen, die würdige
Gestalt Gottvaters, der in altüblicher Weise das Kreuz mit dem daran
ausgespannten Gottessohn in ausgebreiteten Armen vor sich hält, wäh-
rend die Taube des h. Geistes über ihm schwebt. Mit ergreifendem
Ausdruck der Trauer stehen zu beiden Seiten Maria und Johannes.
Weiter unten knieen anbetend zur einen Seite der Stifter, ihm gegen-
über seine Gemahlin, meisterhaft charakterisirt. Das ganze Werk fallt
durch die treffliche Raumgliederung und den edlen architektonischen
Rhythmus auf.
Während Masaccio im Oarmine arbeitete, machte sich ein Knabe
viel bei ihm zu schaffen, der 1420 in die Bruderschaft aufgenommen
worden war und in der Klosterschule durch seine Abneigung gegen
die Grammatik und andre Wissenschaften ebensosehr wie durch seine
Vorliebe für die Malerei sich auszeichnete. Es war der früh verwaiste
Sohn des Metzgers Tommaso Lippi, seit1414 in der Obhut einer
armen Tante erzogen, die offenbar froh gewesen war, ihn bei den
Oarmelitern unterzubringen. Fra Filippo, wie er im Kloster hiess,
warf sich, als man ihn gewähren liess, mit ungewöhnlichem Talent
und Eifer auf die Kunst, so dass er schon 1430 fähig" War, das Kloster
mit Fresken und Altarbildern zu schmücken. Zwei Jahre darauf ver-
schwindet der junge Mönch aus den Urkunden des Carmine, und
Vasari erzählt, er sei nach Ancona gegangen, dort bei einer Lustfahrt