Kapitel.
florentinel"
Die
Schule.
Generation.
Erste
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Tribut der Anerkennung zollte, indem er die Composition einfach in
seine Bibel aufnahm. Die Verschiedenheit der beiden Gruppen hat dazu
geführt, die erstere dem Masolino beizulegen. Es wird aber genügen
anzunehmen, dass Masaccio mit ihr seinen Cyclus begonnen hat.
An sie schliesst sich in der Reihenfolge das grosse Bild der
Heilung des Krüppels und der YViedererWeckung der Tabitha, Welches
man ebenfalls dem Masolino zugeschrieben hat. Schon hier ist in
wenigen Figuren Alles auf's Ergreifendste ausgedrückt. Rechts er-
blickt man in einer offenen auf Holzpfeilern ruhenden Halle die Tabitha,
wie sie sich, eben noch von Leichentüchern umhüllt, auf der Bahre
aufrichtet und mit geisterhaftem, kaum in's Leben zurückgekehrtem
Blick innig den Apostel anschaut, dessen würdige Gestalt am Eingang
erscheint und beschwörend die Rechte erhebt. Ein Mann im Turban
und zwei gewaltige Greisengestalten neben der Bahre drücken mäch-
tiges Erstaunen, ja fast Entsetzen aus; eine Matrone und eine schöne
junge Frau, die daneben knieen, Gestalten von der idealen Anmuth
eines Fiesole, blicken mit dem Ausdruck der Ergriffenheit auf den
WVunderthäter. Man kann eine solche Scene nicht einfacher und
packender geben; es ist der Geist Gi0tto's, verbunden mit den voll-
endeten Formen einer tieferen Naturerkenntniss. Auf der entgegen-
gesetzten linken Seite des Bildes naht die grossartige Gestalt des
Apostels mit seinem Begleiter sich erbarmend dem hülflosen Krüppel,
der mit einem Blick innigen Flehens die Rechte verlangend nach dem
Retter ausstreckt. Wie aus Granit gehauen oder in Erz gegossen
sind diese Apostelgestalten, denen man ohne Weiteres die höchste
Wunderkraft zutraut. Die Verbindung beider Gruppen hat der Künst-
ler durch zwei charakteristische junge Männer im Zeitkostüm, die man
als Gefolge des Apostels auffassen kann, hergestellt. Er hätte kein
glücklicheres Mittel finden können als diese anmuthigen, aber indiffe-
renten und gleichsam neutralen Figuren, die nicht bedeutend genug
sind, um das Interesse von den beiden Hauptgruppen abzulenken lllld
doch dem Auge eine angenehme Abwechslung bieten. Wie gern lasst
man sich solche sparsam verwendete Lückenbüsser gefallen! Den
Hintergrund bilden Gebäude von einfachster schmuckloser Art, wie
sie das damalige Florenz zur Genüge darbot.
An der anstossenden Altarwand wird die links befindliche Predigt
Petri, welche Vasari ebenfalls dem Masolino zutheilt, auch zu den
früheren Arbeiten Masaccids gehören. (Fig. 90.) Es ist wiederum
eine einfache Scene, bei welcher die Mannigfaltigkeit in der Schilde-