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Buch.
Die Frührenaissance.
Verschwendung ihren Bildern durch landschaftliche Gründe, architekto-
nisches und plastisches Beiwerk höchsten Reichthum zu geben suchen."
Mit männlicher Besonnenheit giebt dieser grosse, als Jüngling gestorbene
Meister überall nur das Wesentliche, dieses aber mit der zwingenden
Macht der Nothwendigkeit. Ebenso sparsam ist Masaccio im Einstreuen
von Nebenfiguren, von porträtartigen Gestalten im.Zeitkostüm, die er
mit ähnlicher Behutsamkeit anwendet wie Giotto, während dieselben
bei seinen Nachfolgern zu einem Chor theilnehmender Zuschauer an-
wachsen.
Nach Vasarfs Bericht empfing Masaccio die erste Unterweisung
bei Masolino, studirte bei Brunelleschi die Perspective und bei Donatello
die Verkürzung und die Anatomie. Seinem regen Geiste blieb nichts
von den bedeutenden Bestrebungen seiner Zeitgenossen fern; mit
erstaunlicher Auifassungskraft und genialer Frühreife wusste er sich
Alles anzueignen, wonach die Meisten mühsam und oft einseitig genug
rangen. In ihm zuerst fand das gesammte Streben der Zeit den har-
monischen Ausdruck. Wenn Vasari ihm die Fresken von S. Clemente
zuschreibt und manche Forscher ihm darin folgen, so vermögen wir
unsrerseits dort nur die Hand Masolino's zu erkennen. Möglich aber,
dass Masaccio dabei seinen Meister unterstützt hat. Da wir gesehen
haben, dass jene Werke jedenfalls vor 1420 entstanden sein müssen,
so können wir unmöglich sie dem damals neunzehnjährigen Masaccio
zuschreiben. Hat er aber damals, woran wir nicht zweifeln, seinen
Meister nach Rom begleitet, so empfing er gewiss durch die Werke
des klassischen Alterthums jene tiefdringenden Eindrücke, welche in
seiner jungen empfanglichen Seele eine verwandte Grösse der An-
schauung und des Stiles weckten.- Das unbestrittene Hauptwerk seines
Lebens sind die Fresken der Cappella Brancacci im Carmine zu
Florenz. Auch hier hat Vasari uns Nachrichten hinterlassen, welchen
wir nicht unbedingt Glauben zu schenken vermögen. Ein Theil dieser
Bilder soll nach ihm von Masolino begonnen worden sein, nach dessen
Tode hätte dann Masaccio diese Werke vollendet. Da wir jetzt aber
wissen, dass umgekehrt Masolino seinen Schüler um fast zwanzig Jahre
überlebte, so geht daraus schon die Unrichtigkeit jener Angabe hervor.
Wohl liegt hier eine richtige Wahrnehmung zu Grunde: dass eine
Anzahl dieser Werke noch nicht die volle Grossartigkeit und Freiheit
zeigt wie die übrigen; allein dies erklärt sich ohne Zwang aus der
fortschreitenden Entwicklung des Meisters. In der That erfahren wir
bei Vasari von einer Unterbrechung der Arbeit, denn zuerst habe der