Volltext: Geschichte der Italienischen Malerei vom vierten bis ins sechzehnte Jahrhundert (Bd. 1)

Buch. 
Das Mittelalter. 
die man  zu verwenden hatte, gehörten sicher nicht zu den hervor- 
ragendstcn Meistern. Sie hatten ausserdem alle Üngunst des Ortes, 
des mangelnden Lichtes, der ungenügenden künstlichen Beleuchtung 
gegen sich. So kommt es, dass ihre Werke durchschnittlich dem 
Mittelgut der antiken Dekorationen, Wie man sie in den Wohnhäusern 
Pompejfs und in den Gräbern der Campagna findet, ungefähr ent- 
sprechen. Leicht und keck hingeschrieben in lichten, freundlichen 
Farben auf den feinen Kalkbewurf, der die Wände und Wölbungen 
bedeckt, zeigen gleichwohl diese Bilder das dekorative Geschick der 
antiken Kunst, die glückliche Theilung der Flächen und die sinnige 
Verbindung des Ornamentalen mit dem ltligürlichen. Sie nehmen sogar 
ihren Ausgang von denselben dekorativen Elementen, welche die antike 
Kunst ausgebildet hat; Wir sehen Weinranken mit spielenden Genien, 
Vögel, Masken, Vasen mit Blumengewinden u. dergl., aber bald gesellt 
sich dazu eine christliche Bilderschrift, die mit ihrer sinnvollen Sym- 
bolik eine neue Sprache für die Kunst begründet. 
Um diese Sprache zu verstehen, müssen wir Lage und Stimmung 
jener Zeiten uns vergegenwärtigen. Wohl stand das Römerreich noch 
auf der Höhe seiner Macht, herrschend über den Kreis der damals be- 
kannten Erde. Ein Wink von den Höhen des Palatin und des Kapitels 
schrieb der Welt ihre Gesetze vor. Eine festbegründete, vielgliedrige 
Beamtenhierarchie leitete die Verwaltung des ungeheuren Länder- 
gebietes. Die ausgebildete Kriegskunst der Legionen unterwarf selbst 
die trotzigsten Völker. Unerschütterlich, wie für ewige Zeiten ge- 
festigt,  so schien es  stand die Macht Roms. Dennoch besehlich 
die Gemüther mehr und mehr ein Gefühl banger Unsicherheit. Die 
sittlich-religiöse Grundlage, auf Welcher das mächtige Gebäude des 
römischen Reichs beruhte, ward zusehends aufgelockert. Mochte äusser- 
lich die Majestät und Pracht des Weltreichs den oberllächlichen Blick 
blenden, an seinen Grundfesten nagte der Zweifel und mit ihm die 
Auflösung. Schon in früher Zeit hatten die Römer in ihren religiösen 
Anschauungen altitalische Kulte mit griechischen Mythen. vermischt. 
Empfänglich, wie sie nach dem eklektischen Grundzüge ihres Wesens 
für alles Fremde waren, trugen sie nicht blos die Kunstformen, sondern 
auch die Götter der halben Welt in das Pantheen ihrer Religion zu- 
sammen; ägyptische und asiatische Geheimlehren, die Kulte von Serapis, 
von Isis und Osiris, von der Kybele und dem Mithras fanden in Rom 
Willige Aufnahme. Jemehr der schlichte Glaube der Väter in den 
Gemüthern durch Skepticismus zersetzt wurde, desto bereitwilliger
	        
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