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Buch.
Die Frührenaissance.
erfüllten. Wir haben lauter einfache bildnissartige Aktfiguren vor uns,
die wohl durch treuherzigen Ernst, zum Theil auch durch gemüthvolle
Innigkeit ansprechen, aber nichts Hinreissendes haben. Eine gewisse
kühle Nüchternheit liegt über dem Ganzen. Auch die architektonische
Umgebung, die Nischenwand mit dem schlichten Thron der Madonna
bietet nur das knapp Nothwendige, nicht die Pracht der gothischen
Throne, noch auch die dekorative Fülle der entwickeltem Renaissance.
Alles das giebt dem {Werke das Gepräge einer gewissen primitiven
Herbigkeit. Die beiden weiblichen Heiligen zeigen das naive Gesicht
mit dem Stumpfnäschen, wie es sich bei Botticelli und Filippino Lippi
findet; die Madonna ist von bedeutenderem aber nicht eben schönerem
Typus; die männlichen Heiligen sind von sehr realistischer völlig
porträtmässiger Erscheinung, aber voll Ernst und Innigkeit. Sehr
gelungen ist das Christkind, eins der anmuthigsten jener Zeit. Die
kräftige Zeichnung und die Modellirung mit grünlichen Schattentönen
erinnern am meisten an Castagno. Ebendort sieht fman unter Nr. 44
einen fälschlich dem Fra Filippo zugeschriebenen h. Hieronymus, scharf
und selbst hart in der Modellirung, fast wie ein Verrocchio, aber kälter
und trüber im Ton. Die beiden Tafeln Nr. 37 und 39 mit einer
Magdalena und Johannes dem Täufer verrathen ebenfalls eine bis zur
Uebertreibung gehende Schärfe der Zeichnung, sind dabei aber von
Wärmerem Colorit. Im Museum zu Berlin sieht man unter Nr. 1055
eine Maria, die den Leichnam Christi auf ihrem Schoosse hält, ein
ebenfalls strenges, nicht unbedeutendes Bild, herb im Ausdrucke, scharf
in der Modellirung. Roh und handwerklich dagegen ist ebendort ein
h. Hieronymus (Nr. 1139), den man wohl kaum dem Castagno zu-
trauen darf.
Mehrfach finden wir auch Castagno mit der Darstellung von
profanen Gegenständen beschäftigt. S0 wurde ihm 1435 von der Re-
gierung der Auftrag zu Theil, die hingerichteten Anführer der Peruzzi
und Albizzi im Bargello gleichsam zum ewigen Schandgedachtniss an
die Wand zu malen. Er erhielt davon den Beinamen Andreino degli
Impiccati d. h. der Galgenvögel-Andreas. Ebendort sieht man eine
Anzahl von Fresken aus der Villa Carducci zu Legnaia, für welche
er eine Reihe von Helden, Dichtern, sowie berühmter Frauen des
Alterthums, Esther, Tomyris und die Sibylle von Cumae gemalt hatte.
Es sind Gestalten von mächtigem Lebensgefühl und kühner Gewalt
in Bewegung und Charakteristik. Etwas von der stürmischen Be-
geisterung jener Zeit für grosse Persönlichkeiten spricht sich in ihnen