Kapitel.
Epoche.
Altcluristliclue
muss man die Ansicht von der Bilderscheu der ersten Christen bedeu-
tend modificiren und vielmehr eingestehen, dass trotz jener strengeren,
selbst von einflussreicher Seite ausgehenden Auffassung die naive Freude
an künstlerischen Werken als Erbtheil griechisch-römischer Bildung
auch bei den Christen den Sieg davongetragen hat.
Dies kommt in hervorragender Weise bei den Wand gemäl den
der Katakomben zum Vorschein. Was war natürlicher, als dass
man in jenen Zeiten der Bedrückung, WO sich die Mitglieder der
Gemeinde durch die gemeinsame Gefahr nur um so inniger verbunden
fühlten und, umdrängt von einer feindlichen Welt, ihre Zuflucht zu der
Hoffnung auf den Erlöser und auf die ungetrübte Seligkeit einer besseren
Welt nahmen, diesen Uebcrzeugungen einen Allen verständlichen Aus-
druck zu geben suchte. Zumal an jenen feierlichen Orten, wo die
Hoffnung auf ein besseres Jenseits, WO die Verachtung der Lockungen
dieser Welt in langen Reihen stummer Zeugen einen ergreifenden
Ausdruck fand. Gewiss bilden die düsteren Schachte und engen
Kammern der christlichen Katakomben einen scharfen Gegensatz zu
der heiteren Anmuth und der glänzenden Pracht der Grabmäler des
heidnischen Rom. Aber etwas von dem Schmuck jener antiken Werke
hat sich wie ein erfreuender Schimmer auch über diese düsteren Statten
ausgebreitet und der ernsten Resignation das wehmüthige Lächeln der
Hoffnung beigemischt. Als Hülle für ihre Gedanken bot sich aber
den christlichen Künstlern nichts als die abgetragenen und abgelegten
Kleider der antiken Kunst. Während diese selbst indess immer mehr
verwildert, während aus ihren gedankenlos wiederholten Götterbildern
die hohle Leere des Ünglaubens uns wie mit todten Augen anstarrt,
ist es ergreifend zu sehen, wie dieselbe Formenwelt unter den Händen
der christlichen Künstler, trotz aller Dürftigkeit der Ausführung, einen
Hauch von neuer Beseelung gewinnt, Weil in ihnen sich Glaube und
Hoffnung, sich eine grosse Zukunft ahnungsvoll ausspricht. Die letzten
Abendstrahlen der antiken Kunst mischen sich wie in den langen
Sommertagen mit dem ersten Aufdammern des Morgenroths einer
neuen Zeit.
Gleiehwehl darf man mit hohen künstlerischen Erwartungen an
diese Werke nicht herantreten. Im Ganzen theilen sie, formell be-
trztchtet, die Eigenschaften der Kunstwerke des sinkenden Kaiserrcichs,
nur dass sie in der technischen Ausführung und dem künstlerischen
Werth meist um einige Stufen tiefer stehen als die gleichzeitigen
Schöpfungen der heidnischen Kunst. Die wenigen christlichen Künstler,