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Buch.
Frührenaissance.
Die
diesc Schöpfungen ist, dass sie in der unmittelbaren Nähe der Meister-
werke RafaeYs und Miehelangelds ihren selbständigen Werth behaupten.
Am Gewölbe sieht man die hoheitvollen Gestalten der Evangelisten,
an den Pilastern zwischen den Wandbildern unter gothischen Bal-
dachinen acht statuarische Figuren von Heiligen. Noch manche andre
Werke hat der Künstler in Rom ausgeführt, die aber sämmtlich unter-
gegangen sind. Er starb als Achtundsechszigjähriger 1455 in der
ewigen Stadt, und erhielt sein Grab in der Dominikanerkirche Sta.
Maria sopra Minerva. Sein Grabstein zeigt Züge, die man keineswegs
schön nennen kann, aber nie hat ein reinerer Geist eine unscheinbare
Hülle verklärt.
Ist Fra Angelico der letzte Naehhall des Mittelalters, der in die
neue Zeit hineinklingt, so treten uns nun in den übrigen l-lorenti-
nischen Künstlern die realistischen Tendenzen, zunächst in voller
Einseitigkeit, entgegen. Wir beginnen die Reihenfolge mit Paolo
Dom oder Uccelli, wie er wegen seiner grossen Vorliebe für Thiere,
namentlich für Vögel, zubenannt wurde. Um 1396 geboren, scheint
er zuerst unter Ghiberti sich der Bildhauerei gewidmet zu haben,
wie er denn auch mit Donatello befreundet war. In der Malerei
dürfte er am meisten von Antonio Veneziano (vgl. S. 192) gelernt
haben, der unter den späteren Giottisten durch Manniehfaltigkeit in
Beobachtung und Darstellung des Lebens, durch klare Färbung und
reiche architektonische Hintergründe hervorragt. Üecelli suchte nun
vor allen Dingen die Linearperspektiwre, welche bis dahin nur von
ungefähr angewandt worden war, auf ihre Gesetze zurückzuführen,
worin die StudienBrunellescds offenbar bahnbrechend geworden waren.
Die Perspektive fesselte ihn so sehr, dass er sich fortwährend die
eomplieirtesten Aufgaben stellte, in deren Lösung er weit über das
Maass dessen hinausging, was dem Maler zum praktischen Gebrauch
erforderlich ist. Wenn Vasari ihn desshalb tadelt und seine Werke
in der That dadurch eine etwas trockne, pedantische Richtung er-
halten haben, so dürfen wir doch nicht vergessen, dass ohne dies
energische Streben nach wissenschaftlicher Erkenntniss und Begründung
der Kunst niemals die Malerei zur vollen Freiheit gelangt wäre.
Seine lichte, in flüssigem Auftrag durchgeführte Technik erinnert
sehr an die Malweise Antonio Veneziands. Was aber die geistige
Richtung anbetrifft, so scheidet sich dieselbe auf's Schärfste von der
Tradition der Giottisten, denn er gehört zu denjenigen Künstlern,
welche nirgends eine Spur von religiösem Interesse verrathen und aus-