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Buch.
Die Frührenaissance.
schmerzlich fragenden Blicks an das offene Grab heran, in Welches die
eine, die Hand vor das Auge haltend, zweifelnd hinabschaut. Ein
lieblicher Engel, der auf dem Grabe sitzt, erhebt belehrend die Rechte.
Auch hier ist in Auffassung und Behandlung noch viel von mittel-
alterlicher Tradition. In einer andern Zelle ist die Krönung der Jung-
frau dargestellt: Christus in feierlicher Hoheit krönt die ihm gegenüber-
sitzende mit dem innigsten Ausdruck der Demuth sich vorneigende
Madonna. Unten knieen sechs Heilige als andächtige Zuschauer, da-
runter St. Franziscus und Dominicus, sämmtlich in etwas monotoner
Weise zum Zeichen des Staunens die Hände erhebend, die Köpfe
wiederum von ausdrucksvollster Charakteristik. Am andern Ende dieses
Ganges sieht man in einer Zelle Christus als Gärtner nach der Aufer-
stehung der Magdalena im Garten begegnend, eine köstliche Idylle
mit liebevoll behandelter Naturumgebung, die hier desshalb so aus-
führlich geschildert ist, weil sie wesentlich zur Sache gehört. Die
ehrfurchtsvolle Scheu der N iederknieenden, die feierliche Hoheit Christi,
der sie sanft abwehrt, sind wiederum meisterlich ausgedrückt.
In andern Fallen begnügt sich der Künstler mit einem landschaft-
lichen Grunde, der sich über die conventionellen Formen der giottesken
Kunst nicht wesentlich erhebt. S0 in der figurenreichen Darstellung der
Anbetung der Könige, die wiederum zu den schönsten dieser Compo-
sitionen gehört, wo aber die harten phantastischen Felsen noch von
geringen Naturstudien zeugen. Fein abgestuft ist dagegen die Em-
pündung der drei Verehrenden, die sich der Madonna von der Seite
nahen, denn während der Alte sich zu Boden geworfen hat, um in-
brünstig das Füsschen des Kindes zu küssen, naht der zweite, ein
stattlicher Mann in mittleren Jahren, mit ruhigerem Ausdruck der
Verehrung, und der dritte, ein schöner Jüngling, hält sich ruhig beob-
achtend noch zurück. Das Gefolge besteht aus einer Menge charakter-
voller schön bewegter Gestalten. Originell ist sodann das Abendmahl,
das die herkömmliche giotteske Anordnung völlig verlässt, und anstatt
der historischen Scene eine Schilderung der kirchlichen Abendmahls-
austheilung etwa aus der Zeit des Künstlers giebt. Christus ist vom
Mahle aufgestanden und bewegt sich, den Hostienkelch in der einen,
die Hostie in der andern Hand haltend, an der leeren Seite der Tafel
auf einen der Jünger hin, der demnthvoll sich verneigend die Hostie
empfängt. Acht von den Jüngern haben sich von der Tafel erhoben,
die übrigen vier knieen, den Heiland erwartend, an der rechten Seite,
ihnen gegenüber links die Madonna. Es ist eine enge Skala, innerhalb