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Buch.
Frührenaissance.
Die
bindungen zugleich zur Herbeischaffung antiker Codices und zu jeder
andern Förderung der Wissenschaften. Neben dem Wollhandel und
den Tuchfabriken, deren die Stadt über 200 besass, war sie vor Allem
der Sitz jeder Art feinerer kunstgewerblicher Thätigkeit: die Juweliere
und Goldschmiede, aus deren Werkstätten die köstliehsten Arbeiten
im Stil der neuen Kunst hervorgingen und die einer Anzahl bedeu-
tender Künstler die erste technische Grundlage boten, die Bronce- und
Marmorarbeiter, die Holzschnitzer und Intarsiatoren, die Damastweber
mit den herrlich stilisirten gold- und silberdurchwirkten Stoffen, die
wir so oft auf den Gemälden der gleichzeitigen Maler prangen sehen:
alles das waren die reichen Ausstrahlungen einer Kunst, die in Archi-
tektur, Plastik und Malerei neue Bahnen betreten hatte. Kamen damals
fremde Fürsten nach Florenz, wie im Jahre 1471 der Herzog Galeazzo
Maria Sforza, der mit einem Gefolge von 2000 Reitern, 500 Koppel
Jagdhunden und fünfzig in Seide und Silber gekleideten Läufern die
Stadt besuchte, so waren sie erstaunt, im Palazzo Medici noch grösseren
Glanz zu finden, über alles aber setzte sie die Menge antiker und
moderner Kunstwerke in Erstaunen. Was irgend an angesehenen
Künstlern in Florenz lebte, erhielt von den Medici die bedeutendsten
Aufträge. Cosimo liess nicht bloss den herrlichen Palazzo Medici,
jetzt Riceardi, erbauen, sondern gründete auch das Kloster von S. Marco,
die Badia bei Fiesole und die Kirche San Lorenzo. Ünabsehbar ist
die Reihe der Kunstwerke aller Art, Welche Plastik und Malerei für
die eine Familie auszuführen hatten.
Unter solcher Förderung erhielt die Malerei ihre Richtung auf
Wirklichkeit und Charakteristik, im Wetteifer mit der Plastik, die ihr
in der Entwicklung voraufgegangen war. Während die Skulptur über-
wiegend malerisch wurde, erhielt die Malerei einen plastischen Zug.
In den Bildwerken hatten schon seit dem Ausgang des 14. Jahrhunderts
jener treffliche deutsche Meister Pietro di Giovanni und Niccolo
Aretino die neue Richtung auf Beobachtung des Lebens und der Natur
eingeführt. Die beiden Portale am florentiner Dom , das südöstliche
von Pietro, das nördliche von Niccolo, sind die ersten Zeugnisse dieses
Ümschwunges. So mannichfaltig aber waren die Aufgaben, welche der
neuen Kunst in Begründung der Perspektive, Ausbildung der maleri-
schen Technik, Studium der menschlichen Gestalt, der Landschaft und
der Architektur erwuchsen, dass die Mehrzahl unter den Künstlern
dieser Zeit irgend eine dieser Aufgaben mit einer gewissen Einseitig-
keit verfolgt, bis dann wieder hochbegabte Geister auftreten, welche