Volltext: Geschichte der Italienischen Malerei vom vierten bis ins sechzehnte Jahrhundert (Bd. 1)

Kapitel. 
Altchristliche 
Epoche. 
und der Verachtung, vielleicht auch einer heimlichen ahmmgsvollen, 
Furcht war, musste sie auf die Gunst des Einklanges mit einem ganzen 
Volke und seinem Bewusstsein verzichten, Vmusste ihre ersten Gebilde 
in xdie unscheinbaren Formen leichter Symbole und Anspielungen ver- 
hüllen, musste wie der arme Mann mit den spärlichen Brosmnen vor- 
lieb nehmen, Welche ihr von der noch immer reieh besetzten Tafel der 
im kostbarsten Material und in der Gunst der offieiellen Welt schwel- 
genden antiken Kunst ahtiel. Aber jener kleinen stillen Gemeinde, 
der das Römerthum unter blutigen Martern die Existenz versagte, 
grahörte die Zukunft der Welt, weil in ihrem verschwiegenen Schoosse 
das Saamenkorn gehegt wurde, das einst als mächtiger Baum unter 
seinen Zweigen die Völker der Erde versammeln sollte. 
Das Verhältniss der ersten Christen zu den bildenden Künsten 
ist erst in jüngster Zeit durch die epochemachenden Forschungen 
de Rossi's in Wahrheit erkannt worden. Früher hat man, einzelnen 
Aeusserungcn zuviel Gewicht beilegend, das junge Ühristenthum als 
völlig bildfeindlieh bezeichnet. Allerdings mochte dasselbe aus seiner 
jüdischen Abstammung die Scheu vor den bildenden Künsten mitbringen, 
welche das mosaische Gesetz seit alten Zeiten dem Judenthum zur 
Pflicht gemacht hat. Es ist dieselbe Gesinnung, die sich auch bei 
jenem andern Zweige der semitischcn Völkerfamilie, bei den Arabern, 
in der Lehre Muhamed's ausprätgt. Diese düstere, aseetische Anschauung 
hat allerdings in den ersten Zeiten der Kirche ihre Vertheidiger ge- 
funden. Sie gipfelt in der Behauptung, dass Christus die hässliche 
Knechtsgestalt angenommen habe, und nur in dieser zu denken sei. 
Bezeichnend genug sind es vornehmlich Männer des semitischen Orients, 
Welche diese unholde Lehre vertreten, zuerst vielleicht Justiuus der 
Märtyrer aus Sichem in Samaria (um 150), dann im Anfang des 
folgenden Jahrhunderts der Karthager Tertullian, der dieselbe mit der 
ganzen Heftigkeit seines ascetischen Naturells vertheidigt. Auch jener 
Ausspruch der Synode zu Elvira vom Jahre 306, der die Gemälde in 
den Kirchen verbietet, als ob dadurch die verehrten Gestalten des 
Glaubens entweiht würden, muss immerhin noch als Ausiluss einer 
ähnlichen Gesinnung betrachtet werden. 
In der That dürfte man der Reinheit christlicher Gesinnung aus 
solcher Bilderscheu keinen Vorwurf machen. Wer die Kunst der 
römischen Kaiserzeit kennt, weiss, dass nicht blos die Furcht vor Rück- 
fall in den Götzendienst solche Abneigung gerechtfertigt hätte Die 
ganze Geschicklichkeit griechischer Meister der Plastik und der Malerei
	        
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