Kapitel.
Altchristliche
Epoche.
und der Verachtung, vielleicht auch einer heimlichen ahmmgsvollen,
Furcht war, musste sie auf die Gunst des Einklanges mit einem ganzen
Volke und seinem Bewusstsein verzichten, Vmusste ihre ersten Gebilde
in xdie unscheinbaren Formen leichter Symbole und Anspielungen ver-
hüllen, musste wie der arme Mann mit den spärlichen Brosmnen vor-
lieb nehmen, Welche ihr von der noch immer reieh besetzten Tafel der
im kostbarsten Material und in der Gunst der offieiellen Welt schwel-
genden antiken Kunst ahtiel. Aber jener kleinen stillen Gemeinde,
der das Römerthum unter blutigen Martern die Existenz versagte,
grahörte die Zukunft der Welt, weil in ihrem verschwiegenen Schoosse
das Saamenkorn gehegt wurde, das einst als mächtiger Baum unter
seinen Zweigen die Völker der Erde versammeln sollte.
Das Verhältniss der ersten Christen zu den bildenden Künsten
ist erst in jüngster Zeit durch die epochemachenden Forschungen
de Rossi's in Wahrheit erkannt worden. Früher hat man, einzelnen
Aeusserungcn zuviel Gewicht beilegend, das junge Ühristenthum als
völlig bildfeindlieh bezeichnet. Allerdings mochte dasselbe aus seiner
jüdischen Abstammung die Scheu vor den bildenden Künsten mitbringen,
welche das mosaische Gesetz seit alten Zeiten dem Judenthum zur
Pflicht gemacht hat. Es ist dieselbe Gesinnung, die sich auch bei
jenem andern Zweige der semitischcn Völkerfamilie, bei den Arabern,
in der Lehre Muhamed's ausprätgt. Diese düstere, aseetische Anschauung
hat allerdings in den ersten Zeiten der Kirche ihre Vertheidiger ge-
funden. Sie gipfelt in der Behauptung, dass Christus die hässliche
Knechtsgestalt angenommen habe, und nur in dieser zu denken sei.
Bezeichnend genug sind es vornehmlich Männer des semitischen Orients,
Welche diese unholde Lehre vertreten, zuerst vielleicht Justiuus der
Märtyrer aus Sichem in Samaria (um 150), dann im Anfang des
folgenden Jahrhunderts der Karthager Tertullian, der dieselbe mit der
ganzen Heftigkeit seines ascetischen Naturells vertheidigt. Auch jener
Ausspruch der Synode zu Elvira vom Jahre 306, der die Gemälde in
den Kirchen verbietet, als ob dadurch die verehrten Gestalten des
Glaubens entweiht würden, muss immerhin noch als Ausiluss einer
ähnlichen Gesinnung betrachtet werden.
In der That dürfte man der Reinheit christlicher Gesinnung aus
solcher Bilderscheu keinen Vorwurf machen. Wer die Kunst der
römischen Kaiserzeit kennt, weiss, dass nicht blos die Furcht vor Rück-
fall in den Götzendienst solche Abneigung gerechtfertigt hätte Die
ganze Geschicklichkeit griechischer Meister der Plastik und der Malerei