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Buch.
Frührenaissance.
Die
die Anzahl der in einem Bilde darzustellenden Figuren gern auf zehn
beschränken möchte. Aber man empfindet zugleich in dieser Frucht-
barkeit den ganzen Reichthum der Jugend, die ihr Füllhorn ver-
schwenderisch ausschüttet, weil sie es für unerschöpflich hält.
Was der Malerei jener Epoche als höchstes Ziel vorschwebt, er-
kennen wir klar aus Alberti's Traktat. Er bezeichnet das Historien-
bild als die eigentliche Aufgabe dieser Kunst, verlangt aber vom
Künstler, dass er die ganze Welt der Erscheinungen 'studire, damit
sein Werk durch Lebensfülle sich auszeichne. Üeberall weist er auf
(lie Natur als die höchste Lehrmeisterin und tadelt jene Thoren, Welche
sich Dnur an ihre eigenen Fehler gewöhnen", indem sie das unab-
lässige Studium der Natur hintansetzen. Eine Rüge, die offenbar die
späten Giottisten im Auge hat, bei welchen längst ein conventionelles
Naehbeten überlieferter Formen eingerissen war. Wenn die Gestalt
eines würdigen bekannten Mannes in einem Gesehichtsbilde sei, so
werde diese eben durch die Kraft der Neturwahrheit die Aufmerksam-
keit
besonders
fesseln.
Mit
Welchem
Eifer
Maler
diesen
Rath
befolgt haben, davon zeugen die zahlreichen zeitgenössischen Bildnisse
auf allen Compositionen jener Epoche. Dennoch ist er weit entfernt,
die gemeine Wirklichkeit zu empfehlen; vielmehr soll der Maler das
Beste auswählen, denn das letzte Ziel der Kunst sei nicht äussere
Naturtreue, scndern Schönheit. Um diese zu erreichen, soll der Maler
unablässig das Leben beobachten, und die einzelnen in der Wirklich-
keit zerstreuten Elemente des Schönen zu verbinden suchen, indem er
sie durch fleissiges Studium zu seinem geistigen Eigenthilm macht.
Daher verlangt er auch vom Künstler mehr als das gewöhnliche ltlaass
technischer Bildung; er soll in allen schönen Künsten erfahren sein,
eine wissenschaftliche Grundlage besitzen, namentlich die Geometrie
kennen, die Werke der Dichter und Redner studireil und endlich sich
edler Sitten und eines feinen Gefühles für Anstand und Schicklichkeit
beiieissigen. Man sieht, wie hoch Alberti den Berilf des Malers stellt;
meint er doch sogar, der Architekt habe vom Maler seine Architrave,
Säulen, Friese, Basen und die andern Formen entlehnt. So hoch dachte
jene Zeit von der Malerei.
Bezeichnend für den Standpunkt des Humanisten ist es, dass
Alberti seine Beispiele meist dem klassischen Alterthum entlehnt, in
dessen Kunstgeschichte er nach Maassgabe seiner Zeit sich wohlbewan-
dert zeigt. Dagegen spricht er von der Malerei seiner Epoche sehr
geringschätzig, und es ist, als habe er die Werke des grossen Bahn-