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Buch
Frührenaissance.
durch weichen Fluss der Gewänder aus; aber er steht darin mehr
unter dem Einfluss des Gewandstils der Giottisten und eines Andrea
Pisano als unter dem der markigeren antik-römischen Plastik. Auch
darf man die auf die Spitze getriebene Vorliebe für reiche malerische
Grllppifllng, für perspectivische Vertiefung, landschaftliche und archi-
tektonische Hintergründe mehr als die letzte Ausbildung der im
14. Jahrhundert bei der Malerei üblichen Compositionsweise auffassen,
als darin die Einwirkung des römischen Reliefstyls erkennen; aber die
vollendete Durchbildung und Beseelung der Gestalten ist ein Ergebniss,
das nicht ohne Einfluss der Antike erlangt wurde. Entscheidender
greift Donatello in die Entwicklung der Plastik ein, indem er völlig
mit dem Wohllailt mittelalterlichen Linienschwungs und giottistischer
Anmuth bricht und im Streben nach schneidender Naturwahrheit und
packender Gewalt des Ausdrucks bis an die äussersteGrenze geht.
Charakteristik um jeden Preis, schärfste anatomische Richtigkeit,
frappanteste Lebendigkeit herrschen in allen seinen Werken. Kaum
irgend eines derselben etwa mit alleiniger Ausnahme der Verkün-
digung in S. Crocc lässt sich einen Zug von Anmuth und Schön-
heit zu Schulden kommen: so ausschliesslich, einseitig herrscht ein
herber männlicher Trotz in seinem entschiedenen Realismus. Er zum
ersten Mal behandelt die christlichen Stoffe ohne irgend ein religiöses
Pathos; selbst in den Reliefs aus der Passionsgeschichte in S. Lorenzo
klingt uns nur eine rein menschliche Empfindung mit voller dramatischer
Macht entgegen. Am liebsten scheint er rein profane Themata zu
behandeln; er ist denn auch der Erste, welcher in der Reiterstatue
Gattamelatafs zu Padua das Bild des modernen bloss auf sich ruhenden
Individualmenschen mit monumentaler Wucht zur Darstellung gebracht
hat. Verrocchio mit seinem Colleoni in Venedig folgte ihm darin nach.
Fragen wir, warum die Architektur, und mehr noch die Plastik
und Malerei sich so lebensvoll und eigenartig entfalten konnten, Während
die Literatur so streng an die antiken Vorbilder gebunden war, so
kommt dabei die Natur der gestellten Aufgaben entscheidend in Be-
tracht. In der Architektur kam es darauf an , den kirchlichen und
profanen Bedürfnissen der Zeit zu genügen. Mochte man dabei auf
antike Construktionen und namentlich auf die Fülle klassischer Orna-
mentformen zurückgreifen: die Planform und Gesammtanlage, die An-
Ordnung der Raume und der Aufbau empüngen ihr specifisch modernes
Gepräge durch das praktische Erforderniss. Aehnlich war es mit
Plastik und Malerei. Nur in vereinzelten Fallen treten Aufgaben aus