Kapitel.
Kultur der italienischen Frührenaissance.
Die
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In seinem Palast zu Ürbino war dann der Sammelpunkt der erlauch-
testen Geister, und der Herzog selbst ging in der Liebe zu den Wissen-
schaften Allen voran. Während der Tafel liess er sich aus Livius
vorlesen, Nachmittags wohnte er den Vorträgen der Gelehrten bei,
Abends leitete er selbst die gymnastischen Uebungen der jüngeren
Hofleute, und mit seinem hohen kriegerischen Ruf verband er eine
solche Leutseligkeit der Gesinnung, dass die Ünterthanen, wenn er
durch die Strassen ging, niederknieten und ihm zuriefen: „Dio ti man-
tenga Signore."
Ein ganz anderes Charakterbild gewährt der ruchlose Beherrscher
von Rimini, Sigismondo Malatcsta, in dessen düsterer Gestalt die Be-
geisterung für das klassische Alterthum, für Wissenschaft und Kunst
den Lichtpunkt ausmacht. Als er die Kirche S. Francesco durch Leo
Battista Alberti in ein prachtvolles Renaissancegewand hüllen liess und
sie nicht bloss mit Denkmälern für sich und seine Gemahlin Isotta
schmückte, sondern auch in den Hallen der Aussenseite Sarkophage
für berühmte Männer seiner Zeit aufstellen liess, durfte Aeneas Sylvius
nicht mit Unrecht sagen, der Bau scheine nicht sowohl ein Tempel
für die Verehrung der Christen, als der ungläubigen Genien zu sein.
In Ferrara war es Herzog Borso, der mit dem Bau prachtvoller Paläste
begann, die dann Ercole weiter ausführen und mit Kunstwerken
schmücken lies. Die grossartige Anlage der Stadt mit ihren geraden
breiten Strassen ist eins der frühesten und vollstandigsten Beispiele
einer regelmässigen modernen Fürstenresidenz. Freilich blieb ihre
fernere Entwicklung hinter den grossen Plänen ihres Gründers er-
heblich zurück.
Es würde zu weit führen, auch nur mit kurzen Zügen anzu-
deuten, wie alle Fürstenhöfe Italiens in grossartigen baulichen Unter-
nehmungen wetteiferten. Es genügt anzudeuten, dass dieselbe Gesin-
nung auch die municipalen Verwaltungen beseelte, und dass nicht bloss
die grossen, sondern selbst die kleinen und kleinsten Städte hinter der
allgemeinen Bewegung nicht zurückbleiben wollten. Erst aus dieser
_ Gesinnung gewann die Architektur jener Zeit das Gepräge einer un-
vergleichlich reichen Jugendkraft.
Gleichen Schritt mit der Architektur hält die innig an sie ge-
bundene Plastik. Für sie sind die Studien nach der Antike indess
während der Frührenaissance bei Weitem nicht so durchschlagend als
man denken sollte. Wohl zeichnen sich Ghibl-IYWS Figuren, nament-
lich an der berühmten zweiten Pforte des Baptisteriums zu Florenz