Kapitel.
Die
Frührenaissance.
der italienischen
Kultur
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klassischen Zeit verglichen, sondern geradezu mit ihnen identifizirt
werden, so dass etwa ein Francesco Sforza den Namen des Hannibal
erhält; wenn Christus als der Beherrscher des Olympos, der päpstliche
Stuhl als Thron des Olympischen Jupiter bezeichnet wird; wenn bei
der Verkündigung Gabriels an die Madonna Mercur dem Erzengel
nachschwebt, um an der Pforte zu lauschen und den versammelten
Göttern Bericht zu erstatten; wenn Leo Battista Alberti ernsthaft die
Frage erörtert, welchen Göttern man Tempel zu erbauen habe; wenn
demgemäss auf einem Bilde Benozzo Gozzoli's in S. Gimignano der
h. Sebastian als ngloriosissimus athleta" gepriesen wird; so sind das
Alles Dinge, welche jener Zeit nicht bloss natürlich, sondern auch
schön und poetisch erschienen, uns aber den Eindruck barocker Tra-
vestie machen.
Dass unter solcher Vermischung heterogener Vorstellungskreise
die sittlich-religiöse Grundanschauung empfindliche Einbusse erleiden
musste, liegt auf der Hand. Üeber die Frivolität und Obscönität vieler
Humanisten sprachen wir schon. Mit ihr verband sich aber ein reli-
giöser Indifferentismus und eine Skepsis, welche dem Christenthum
verderblich werden musste. Vergessen wir aber nicht, wie die Kirche
beschaffen war, von welcher sich nicht bloss die lockeren Spottvögel,
sondern auch ernste sittliche Naturen mit Ekel abwendeten. Konnte
man es geistvollen Männern verdenken, wenn das antike Heidenthum
ihnen poetischer, idealer erschien als jener mittelalterliche Fetischdienst,
der die Innerlichkeit der Christuslehre längst in ein unwürdiges Spiel
mit äusserlichem Formelkram umgewandelt hatte, und die Phantasie
der Menge mit den abgeschmackten Wundergeschichten der Legenden
zu befriedigen suchte? Und wie es mit den äusseren Zuständen der
Kirche aussah, das ist oft genug geschildert worden; mehr als alles
mag allein der Hinweis auf jenes päpstliche Breve genügen, Welches
den Geistlichen untersagte, Gast-, Spiel- und Bordellwirthschaften zu
unterhalten. Wie indess die Gesinnung der Humanisten über kirch-
liche Dinge sein mochte, die Kirche drückte gern darüber ein Auge
zu, wenn nur nach Aussen kein Anstoss durch ketzerische Gesinnungen
gegeben wurde. Dass es dennoch selbst in Italien von jeher tiefere
Gemüther gab, welchen eine Reform der Kirche am Herzen lag, be-
wies schon im 12. Jahrhundert Arnold von Brescia. Auch mitten in
dem glänzenden Leben, welches das wiedererwachte Alterthum mit sieh
brachte, erhob sich die gewaltige Gestalt des Bussepredigers Savonarola,
der in die heitre Weltlust des mediceischen Florenz seinen düstern