Volltext: Geschichte der Italienischen Malerei vom vierten bis ins sechzehnte Jahrhundert (Bd. 1)

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Buch. 
Frührenaissance. 
keit des klassischen Alterthums wieder auf. Voll Eifers begann er in 
den verkommenen Klosterbibliotheken nach den verstaubten und ver- 
gessenen Schriften der Alten zu suchen. Ciccro und Virgil vor Allem 
sind seine Helden; gleich Gottheiten verehrt er sie, und obgleich er 
sein Leben lang ein guter Christ bleibt, so treten die Alten doch in 
seinem Herzen gleichsam an die Stelle der christlichen Heiligen, die 
sie von ihren Altaren verdrängen. Seine grösste Sehnsucht war, den 
Homer lesen zu können; aber obwohl er es nie so weit brachte, ihn 
in der Ursprache zu Verstehen, so umarmte er mit zärtlicher Liebe 
das mühsam errungene Buch und schaute es mit Entzücken an. Es 
ist einer der rührenden Züge, in welchen die Hingabe an die Welt 
des Alterthums mit der vollen Kraft der Jugendliebe sich ausspricht. 
Und voll jugendlicher Glut ist auch der Kampfesmuth, mit welchem 
er zuerst sich gegen die Institutionen des Mittelalters wendet. Ihm 
erscheint das barbarische Mönchslatein als ein verkrüppelter Baum, 
der weder blühe noch Früchte trage. Die Scholastik ist ihm ein 
Wüster Schlackenhaufen, und ebenso scharf wendet er sich gegen die 
auf jener Pseudowissenschaft beruhenden Universitäten, die er Nester 
voll dünkelhafter Unwissenheit nennt. Das handwerksmassige Treiben 
der Fachgelehrten gilt ihm nicht als Wissenschaft; der wahre Gelehrte 
vielmehr ist der strebende Mensch; universale Bildung des Geistes und 
Herzens ist das höchste Ziel alles Ringens, und so stellt er zum ersten 
Mal, im Gegensatze zum kirchlichen Bewusstsein, die Humanität, den 
Humanismus als den Inbegriii" alles Dichtens und Trachtens hin. Fortan 
ist dies das religiöse Bewusstsein der durch das klassische Alterthum 
verjüngten Menschheit geworden, und in den höchsten Erscheinungen 
des geistigen Lebens, vor Allem in unsrem Goethe, ist dies Streben 
nach universeller Ausbildung des ganzen Menschen Inhalt des Daseins, 
Ziel des gesammten Ringens.  
Der höchste Endzweck seines literarischen Trachtens ist für 
Petrarca, die klassische Latinitält des von ihm vergötterten Cicero sich 
anzueignen. Was er in der Vulgärsprache geschrieben und gedichtet 
hat, vor Allem seine Gedichte an Laura, gilt ihm für untergeordnet. 
Und doch War die durch Dante's gewaltiges Gedicht in der ganzen 
Fülle des Wohllauts erstandene Muttersprache die unerlässliche Grund- 
lage für die Entwicklung Italiens geworden. Denn erst jetzt war ein 
geistig Gemeinsames entstanden, welches bei der politischen Zersplit- 
terung des Landes zum ersten Mal dem Italiener das Gefühl einer 
nationalen Gemeinsamkeit gab, die von Sicilien bis an den Fuss der
	        
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