224
Buch.
Frühre11aissance.
Verrath und List die Herrschaft an sich zu bringen und absolute
Dynastieen zu gründen suchten. Die fortwährenden Bürgerkriege und
Parteiungen, die Kämpfe zwischen den Patriziern und den Zünften,
die blutigen Fehden der verschiedenen Geschlechter und Faktionen,
welche während des 13. und 14. Jahrhunderts die Städte zerileischten,
arbeiteten der Usurpation in die Hand. Je höher die städtische Civili-
sation in Handel und Verkehr, Kunst, Gewerbe und Wissenschaft stieg,
desto allgemeiner wurde das Verlangen nach Ruhe, nach friedlichem
Genuss des Erworbenen. Eine feste, kraftvoll gehandhabte Tyrannis
schien am ersten die stetige Dauer gesicherter Zustände zu verbürgen,
und man liess sich dafür selbst allerlei polizeilichen Druck, Härte und
Grausamkeit gefallen. Je mehr aber die aus freien Bürgern zu Unter-
thanen gewordenen Einwohner sich der eigenen politischen Thätigkeit
entwöhnten, desto sorgloser gaben sie sich den friedlichen Bestrebungen
hin, so dass Wohlstand, Blüthe von Gewerbe, Kunst und Wissenschaft
wieder als Folgen jener staatlichen Zustande erscheinen konnten. Weni-
gen ward ein so edles Loos zu Theil wie den Florentinern, die lange
noch die Form der Republik unangetastet erhielten, während das kluge
und hochsinnige Geschlecht der Mediceer in Wirklichkeit eine fürsten-
gleiche Macht ausübte. Es war ein unaufhaltsamer Zug der Geschichte,
der an Stelle der Städterepubliken des Mittelalters die Ausbildung
grösserer Territorien unter der souveränen Herrschaft dynastischer
Geschlechter setzte. So sollte der Drang nach individueller Selbständig-
keit vor Allem den höchstgestellten Gewalthabern zu Gute kommen.
Am mächtigsten wird diese Richtung auf Befreiung des Indivi-
duums gefordert durch die Wiedererweckung des klassischen Alterthums,
jenes nrinascimentoa, welches der ganzen Epoche ihren Namen gegeben
hat. In Italien war die grosse römische Vorzeit nie ganz aus dem
Gedächtniss der Menschen geschwunden; selbst in den dunkelsten Epo-
chen des Mittelalters lebte eine Ahnung der ehemaligen Grösse fort,
wenn das Alterthum auch nur wie ein gespenstiseher Spuk in die
christlichen Anschauungen hineinragte. Im 14. Jahrhundert war in
der äussersten Verwirrung, welche das avignonische Exil über die
ewige Stadt hereingeführt hatte, der Gedanke einer glänzenden Vor-
zeit wieder so lebendig geworden, dass Cola di Rienzi es versuchen
konnte, jenen seltsamen Traum einer römischen Republik zu verwirk-
lichen. Wenn derselbe auch scheitern musste, wie überall da, wo man
eine Republik ohne Republikaner schaffen zu können wähnt: der Ge-
danke selbst an eine durch Kraft und Tugend hervorragende VOTZGÜJ