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I. Buch.
Mittelalter.
Das
Bewegung, aber schon machen sich Elemente geltend, welche aus dem
Banne kirchlicher Ueberlieferung die Kunst mitten in die Natur und
die Wirklichkeit des Lebens hinauszuführen streben. Wohl ist es
richtig, dass Giottds Stil bald zu einer allgemeinen Convention wurde,
welche vielfach dann zur Erstarrung führte; aber das ist überall der
Fall, wo ein bahnbrechender Meister mit schöpferischem Genius neue
Formen schafft, in denen eine ganze Zeit ihr Ideal verwirklicht sieht.
Andrerseits ist auch nicht zu verkennen, dass der Drang nach Natur-
wahrheit und lebensvoller Wirklichkeit, welchen Giotto der Kunst ein-
gepflanzt hatte, in einer Reihe tüchtiger Meister fortwirkte und Früchte
trug. Angelo Gaddi, Antonio Veneziano und Orcagna, vor Allem
Altichiero und Avanzo bezeichnen in ihren Werken einen entschiedenen
Fortschritt, zugleich die Grenze und Höhe dessen, was innerhalb der
mittelalterlichen Anschauung die Naturauffassung zu erreichen ver-
mochte. Ihr zum vollen Siege zu verhelfen, bedurfte es der gewal-
tigen Strömung einer neuen Zeit, die mit dem Beginn des 15. Jahr-
hunderts heraufziehen sollte.