Kapitel.
Epoche.
Gothische
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vor der Stadt auf ihn zurückführen. Seit 1420 liess er sich in Ürbino
nieder, WO indess nichts mehr von ihm nachzuweisen ist. Dagegen
malte er 1424 in der Kapelle des jetzigen Palazzo del Governo zu
Foligno Scenen aus dem Leben der Madonna, welche den Beweis
liefern, dass der Künstler, unfähig einer höheren Ausbildung, damals
auffallende Rückschritte gemacht hatte. Als Ottaviano 1444 starb,
war die Entwicklung der Zeit längst über diese Erzeugnisse einer ab-
sterbenden Localkunst hinweggeschritten.
Üngleich bedeutender, Wenngleich ebenfalls in alterthümlichel"
Richtung verharrend, ist Gentile ola Fabriano, der bald nach 1360
geboren sein mag und in der Einsamkeit seines Geburtsortes, der
Gubbio gegenüber am östlichen Abhang der Apenninen liegt, von dem
uns schon bekannten Allegretto Nuzi 198) seinen ersten Unterricht
empfing. Auch auf ihn scheinen schon früh Einflüsse der Sienesen,
namentlich des Taddeo di Bartolo, gewirkt zu haben; aber er bildet
sich bald einen eignen Stil, der in der heiteren Klarheit eines blühen-
den Kolorits, das auch bei ihm durch häufige Anwendung von Gold-
schmuck noch mehr Glanz erhält, seinen Ausdruck findet. In dieser
Farbenpracht, in der miniaturartigen Feinheit der Ausführung darf
man ihn wohl mit Fiesole vergleichen, der sicher von ihm gelernt hat;
in der künstlerischen Gesinnung dagegen herrschen grosse Gegensätze,
denn wenn Fra Angelico die Gottinnigkeit des frommen Klosterbruders
verräth, so athmen die Werke Gentile's die offene Weltlust eines
glänzenden ritterlichen Lebens. Auch bei ihm sind die Grundzüge
des Stils noch giottesk, die Köpfe haben eine süsse Holdseligkeit, die
Gewänder einen weichen idealen Linienschwung; aber er wird doch
stärker als seine Landsgenossen von der neuen Bewegung der Zeit
ergriffen und spricht dieselbe in manchem lebensvollen der Wirklich-
keit abgelauschten Zuge aus.
Sein äusseres Leben verläuft in einem bewegten Scenenwechsel,
denn er arbeitete schon im Anfange des 15. Jahrhunderts in Brescia
für Pandolfo Malatesta und wurde dann nach Venedig berufen, wo er
den grossen Saal des Dogenpalastcs mit Gemälden zu schmücken hatte.
Von allen diesen Werken sowie 'v0n mehreren damals entstandenen
Altarbildern ist nichts auf uns gekommen. Dagegen ist der Einiiuss
seiner Arbeiten in der venezianischen Kunst deutlich zu spüren, wie
denn Jacopo Bellini sein Schüler ward und auch Antonio Vivarini
stark von seiner Richtung berührt ist. Jacopo nahm er sogar mit
nach Florenz, wo er 1421 in der Gildenrolle auftritt und bis 1424