Kapitel.
Epoche.
Gothische
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besten gelingen dem Künstler die gemüthlichen Scenen, wie die Geburt
der Maria und die Kindheit Christi im elterlichen Hause, die mit
idyllischem Behagen geschildert sind. Ohne grade hervorragende Be-
deutung gehören diese Arbeiten doch zu den anziehenderen der Epoche.
Im 15. Jahrhundert hat eine theilwßiSe Uebßrmalung an der östlichen
Hälfte der rechten Wand stattgefunden.
Die prachtvollen Goldmosaiken, welche der Faeade des Doms
einen unvergleichlichen Glanz geben, sind in späteren Zeiten erneuert
worden; aber in wie vielfacher Uebung die Wandmalerei dort gepflegt
wurde, bezeugen namentlich zahlreiche Votivgemälde in der Kirche
S. Giovenale, die ebenfalls zwischen sienesischen und florentinischen
Einflüssen schwanken.
Am wenigsten leistet in dieser Epoche Rom. Durch die unab-
lässigen Fehden der Adelsgeschlechter verwüstet, durch das avigno-
nische Exil der Päpste (1309-1377) verödet, sank die" ewige Stadt
immer tiefer herab, und die phantastische Republik des Cola di Rienzii
war eben so wenig im Stande, dauernd bessere Zustande zu schaffen
und dem Leben eine feste Basis für höhere Kulturentfaltung zu geben.
Bezeichnend ist jedoch, dass Rienzi mehrmals die Malerei zu politischen
Zwecken verwendete. So liess er am Capitol ein stürmisch bewegtes
Meer darstellen, auf welchem ein seiner Maste beraubtes Schiff dem
Untergange entgegentrieb. Auf dem Verdeck kniete handeringend lmit
aufgelöstem Haar Roma in Trauerkleidern, während man in den Fluthen
mehrere gesunkene Schiffe sah, welche die Namen Babylon, Troja,
Carthago, Jerusalem trugen. Eine Inschrift verkündete, dass diese durch
Ungerechtigkeit zu Grunde gegangen seien. Um aber dem Volke
anzudeuten, dass die römischen Barone durch ihre Gewaltthaten den
Untergang der Stadt' verschuldeten, schwammen neben der Roma
allerlei Thiere, welche den Sturm anfachten und deutliche Anspielungen
auf hervorragende Personen des römischen Adels trugen. Man erkennt
daraus wenigstens, welch mächtige Wirkung auf das Volksgemüth man
damals der Kunst zuschrieb.
Den Abschluss unsrer Betrachtung dieser Epoche machen einige
Künstler, die ihrer Zeitstellung nach dem 15. Jahrhundert angehören,
in ihrer Anschauung und Stilrichtilng aber noch völlig mittelalterlich
sind. Sie gehören den abgelegeneren Gegenden Umbriens und Ober-
italiens an, wohin die neue naturalistische Entwicklung nur langsam
drang, so dass sie mitten in einer bereits von andern Tendenzen er-
füllten Zeit wie ein Anachronismus erscheinen. In der stillen religiösen