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Buch.
Das
Mittelalter.
Wenige Jahre nach Vollendung dieser Werke führte Spinello
Aretino (1391) die oben bereits erwähnten (vergl. S. 157) Geschichten
der h. Ephesus und Potitus aus, mit welchen die Darstellungen auf der
südlichen Wand ihren Abschluss erreichten.
Inzwischen war man nun auch zur Ausmalung der gegenüber-
stehenden Wand geschritten, und berief dafür bereits 1390 einen
Meister Pietro di Puccio aus Orvieto, der kurz vorher als Mosaicist
an der dortigen Domfacade gearbeitet hatte. Als er nach Pisa ge-
kommen war, wurde er zuerst durch Krankheit gehindert, und man
besitzt noch im Archiv die Apothekerrechnungen, welche der Vorsteher
des Werkes für ihn bezahlen musste. Dann malte Pietro am West-
lichen Ende der Nordwand vier Bilder aus der Genesis, von denen das
erste unter der Bezeichnung „il Mappamondo" eine wunderliche Schil-
derung der mittelalterlichen Weltanschauung enthält. In kolossaler
Grösse, der vollen Bildhöhe einer Doppelreihe entsprechend, sieht man
darauf die Gestalt Gottvaters, in seinen Händen eine riesenhafte Scheibe
haltend, die ihn so vollständig bedeckt, dass nur die Füsse und der
Kopf sichtbar werden. Diese Scheibe enthält nach der naiven Vor-
stellung jener Zeit das Universum, im Mittelpunkt selbstverständlich
die Erde, auf welcher man Europa, Asien und Afrika unterscheidet,
dann concentrisch angeordnet die Kreise der Planeten und Fixsterne,
endlich die neun Engelchöre. Am Fusse des Bildes erscheinen die
Halbfiguren des h. Augustinus und des Thomas von Aquino, als Haupt-
vertreter göttlicher Weisheit. S0 barock und ungeniessbar diese land-
kartenartige Schilderung ist, so viel anziehender gestalten sich dafür
die Weiteren Geschichten der Schöpfung. Der Künstler führt uns in
den anmuthigen, von Quellen bewässerten, von Fruchtbäumen erfüllten
Garten des Paradieses. Von links her naht mit einem Hofstaat von
Engeln Gottvater, um Adam zu formen, der sich, von seines Schöpfers
Händen unterstützt, noch halb von irdischer Schwere gelähmt, müh-
sam vom Boden aufriehtet. Diese Scene begiebt sich auf einem tieferen
Plan vor dem mit einer Zinnenmauer umschlossenen Paradiesesgarten.
Darüber sieht man, wie Gottvater, der stets als blühender Mann dar-
gestellt wird, Adam in's Paradies einführt, dann aus der Rippe des
Schlafenden die Eva erschafft. Gleich daneben folgt der Sündenfall
und der zürnende Verweis, den Jehovah den beiden im Gebüsch sich
versteckenden Sündern ertheilt. Wir sehen sie dann durch einen
Engel in, ritterlicher Rüstung aus dem Paradiese gestossen und im
mittleren Theile des vorderen Plans in rauhen härenen Gewändern