Volltext: Geschichte der Italienischen Malerei vom vierten bis ins sechzehnte Jahrhundert (Bd. 1)

Kapitel. 
Epoche. 
Gothische 
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larvten an. Ueberaus lebendig sind hier die Gruppen angeordnet, 
charakteristisch die Gestalten bis auf die träumerisch am Boden sitzende 
Figur eines bärtigen Orientalen durchgeführt; vortrefßich ist die Per- 
spektivische Darstellung der Gebäude.  Gleich daneben sieht man in 
einer ebenfalls mit grossem Geschick gezeichneten otfnen Halle den 
Heiligen mit frommen Mönchen beim Mahle vereinigt. 
Mit behaglicher Ausführlichkeit sind sodann auf den beiden fol- 
genden Bildern der Tod, die Bestattung und Ueberführung des Heiligen 
in den Dom, sowie seine Wunderthaten geschildert. Bei den reichen 
architektonischen Gründen fehlt hier nicht der Dom, sammt dem schie- 
fen Thurm und dem Baptisterium. Wie sich in den Bildern dieser 
Zeit, der Wirklichkeit entsprechend, ja sie noch überbietend romanische 
und gothische Formen mischen, so hat der Dom, in dessen Inneres 
der Künstler uns blicken lasst, spitzbogige Arkaden, während die 
Architektur des Aeusseren ganz treu aufgefasst erscheint. Man sieht 
daran, wie an vielem Andern, dass in dieser Kunst die Beobachtung 
der Wirklichkeit mit einem freien künstlerischen Walten der Phantasie 
sich mischt. Voll Charakter und Leben sind auch hier wieder die 
Volksscenen: wie beim Tode des Heiligen sich Alles theilnahmvoll 
herandrängt, ein wassersüchtiges Mädchen, von der besorgten Mutter 
gehalten, sich an der Leiche niederwirft, wie dann die von Geistlichen 
getragene Leiche im Gcleite des Bischofs, der Priester und der Mönche 
sowie der städtischen Behörden unter Musik und Kerzenschimmer feier- 
lich in den Dom getragen wird, wie auf dem letzten Bilde das Volk 
sich zu der in offener Kapelle auf der Bahre liegenden Leiche heran- 
drangt, darunter Krüppel und Sieche und besonders eine Mutter mit 
einem kranken oder todten Kinde auf dem Schoosse und die ergrei- 
fende Figur einer unglücklichen Tobsüchtigen, die mit Mühe von einem 
Angehörigen gebändigt wird, das Alles sind Scenen voll Poesie und 
Lebenswahrheit. Zum Schluss sieht man noch ein Wunder des Hei- 
ligen, der einem von den Wogen umhergeworfenen Schiffe als Retter 
erscheint. Üeberaus lebendig ist dabei die angstvolle Thätigkeit der 
Schiffsmannschaft geschildert, welche mit allen Kräften bemüht ist, die 
Segel zu reffen und zu den Raaen empor zu steigen, während Andre sich 
beeilen, Fässer, Kisten und Ballen der Ladung über Bord zu werfen. 
Einen anziehenden Gegensatz zu dieser angstvollen Unruhe bilden vier 
am Ufer angelnde Fischer. Sie beweisen nebst manchem andern Zuge, 
wie sehr es dieser Kunst bereits Bedürfniss war, sich an genrchaften 
Episoden zu laben.
	        
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