Volltext: Geschichte der Italienischen Malerei vom vierten bis ins sechzehnte Jahrhundert (Bd. 1)

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Buch. 
Das Mittelalter. 
Augen übersäet, die ihm in Verbindung mit den riesigen Stierhörnern 
des Kopfes und den iiammenartigen Haaren, welche das Gesicht und 
die Brust umlohen, den Ausdruck grauenhafter Phantastik verleihen. 
Zwischen den Hauern seines Rachens sieht man einen Ünglücklichen, 
den er zermalmt, während er andre mit seinen Krallen zusammenpresst, 
wieder andre auf seiner Brust von den Flammen ergriffen werden. 
Unter ihm aus dem Abgrund lodert das Feuer der Hölle empor, das 
bis in die obersten Abtheilungen hinauf züngelt. Alle erdenklichen 
Arten von Martern- füllen die Schreckensräume. Man kann nicht 
laugnen, dass die Schauerphantasie des Mittelalters hier zu dämonischer 
Macht und Grösse sich erhebt. 
Sind diese Darstellungen aus den herrschenden Anschauungs- 
kreisen jener Zeit geschöpft, so gehört dagegen das andre grosse Bild, 
allgemein als Triumph des Todes bezeichnet, in das Gebiet freier 
poetischer Eründung. Die Bezeichnung ist indess ebensowenig zu- 
treffend wie die Benennung vpurgatorio", welche sich in den Urkunden 
des Archivs befindet. Der Grundgedanke ist vielmehr eine Schilderung 
des irdischen Lebens in all seiner Mannigfaltigkeit, wie es mit seiner 
stolzen Pracht, seiner Jugend und Schönheit dem gemeinsamen Ge- 
schick des Todes unterliegt. Es ist eine Variation des Themas, welches 
auch in den nordischen Todtentänzen durchgeführt wird, nur dass hier 
in einer grossen Gesammtdarstellung mit vielfachen Episoden der Ge- 
danke vollständiger zur Anschauung kommt, und zugleich das Schicksal 
der Guten und der Bösen nach dem Tode zum Ausdruck gelangt. Die 
Darstellung zerfällt in. drei Hauptgruppen. Zur Linken sieht man 
eine anmuthige Gesellschaft von Jünglingen und Jungfrauen auf blu- 
migem Wiesengrunde im dichten Schatten herrlicher Fruchtbäume sich 
bei Gesang und Saitenspiel ergötzen. Besonders hervorgehoben durch 
reiche Tracht ist eine junge Dame in geblümtem Gewande, mit einem 
Schoosshündchen, und ein junger Ritter mit dem Falken auf der Faust, 
die Rechte wie bethenernd auf die Brust legend. Zwei über ihnen 
schwebende Genien mit brennenden Fackeln bezeichnen die beiden als 
Liebespaar. Wer denkt bei diesen Gruppen nicht an die anmuthige 
Einleitung zu Boccaccio's Decamerone, wo ebenfalls fröhliche Weltlust 
in unmittelbarer Nähe der verderblichen Pest geschildert wird! Wäh- 
rend diese Gruppe sich heiterem Lebensgenuss hingiebt, erscheint 
dicht neben ihr durch die Lüfte heransausend die dämonische Gestalt 
eines gewaltigen Weibes in dunklem, sternbesäetem Gewande, von 
riesigen Fledermausflügeln getragen, das Haar in wilder Auflösung
	        
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