Kapitel.
Epoche.
Gothische
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Apostel blicken staunend in das leere Grab und scheinen in lebhafter
Erregung den Vorgang zu besprechen. ln der mannigfachen Charak-
teristik dieser Gestalten spürt man schon eine Vorahnung von der
neuen Entwicklung der Kunst. Ein Hauch der herannahenden Renais-
sance spricht sieh auch in den Brustbildern antiker Helden, des Scipio,
Curius Dentatus, Cato, Cicero u. A. aus, mit welchen er die Eingangs-
halle dekorirte. Den h. Christoph und einige andre Figuren fügte er
1414 hinzu.
Von seinen späteren Werken nennen wir noch eine Altartafel der
Verkündigung von 1409, jetzt in der Galerie zu Siena, eine thmnende
Madonna mit Heiligen im Dom zu Volterra von 1411-und ein Altar-
werk für die Kirche der Ohservanten bei Siena. Was in Galerieen
auf den Namen des Meisters geschrieben wird, wie die beiden Bilder
im Museum zu Berlin, Nr. 1083 und 1135, trägt seinen Namen meist
mit Unrecht.
Pisa und
das
Camposanto.
Auffallende Sprünge und Wechsel beobachtet man im Kunstleben
der einzelnen Hauptorte Italiens, manchmal von befremdender Selt-
samkeit. So ist es gewiss merkwürdig, dass Pisa, Welches seit der
frühromanischen Epoche eine so gewaltige Blüthe der Architektur er-
lebt hatte, der dann seit dem 13. Jahrhundert durch Niccolö, Giovanni
und Andrea Pisano ein nicht minder bedeutender Aufschwung der
Plastik gefolgt war, in der Malerei sichtlich zurückblieb. Wir ver-
mögen unter den unbedeutenden Künstlern, die man in der Sammlung
der Akademie dort kennen lernt, nur etwa den Bruno di Giovanni
hervorzuheben, von Welchem eine heilige Ursula mit ihren Jungfrauen
vorhanden ist, in den Köpfen nicht ohne Anrnuth, im Uebrigen aber
wenig belebt. Auch ein Turinus Vmmi, der sich aus Rigoli oder aus
Pisa nennt, und von welchem ein Altarbild in S. Paolo in Ripa
d'A rno vom Jahre 1398 und ein geringeres Madonnenbild zu Paris
im Louvre sich befindet, scheint nicht von grosser Bedeutung. An-
ziehender ist F rancesco fläßaiüi, der in Urkunden schon 1322 vorkommt
und von welchem ein merkwürdiges Bild in Sta. Caterina zu Pisa zeugt,
eine Verherrlichung des Thomas von Aquino enthaltend. Man sieht
in der Mitte die überlebensgrosse thronende Gestalt des Heiligen, der
durch den über ihm schwebenden Christus, durch Moses, Paulus und