Kapitel.
III.
Epoche.
Gothische
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bleiben. In der Stilrichtung den Lorenzetti verwandt, bleibt er an
Kraft der Phantasie erheblich hinter diesen zurück, überrascht aber
doch zuweilen durch eigenthürnlich poetische Züge.
Eins seiner frühesten Werke ist die aus S. Paolo in Pisa in die
Sammlung des Louvre gelangte Altartafel der thronenden Madonna,
welche in den beiden Seitenabtheilungen je zwei Heilige enthält. Es
sind durchweg Gestalten von einer gewissen Feierlichkeit in edel ent-
wickelten Gewändern, der blaue Mantel der Madonna mit Gold auf-
gehöht, in den Köpfen noch ein letzter Nachklang des byzantinischen
Typus, das Verhältniss der Figuren übertrieben schlank. Im Jahre
1397 führte er in einer Kapelle an der Nordseite des Chors von
S. Francesco zu Pisa Wandgemälde aus dem Leben der h. Jungfrau
aus, mit der Verkündigung an der Fensterwand beginnend, mit Tod,
Grablegung und Himmelfahrt der Madonna schliessend. Auch hier ist
etwas feierlich Strenges und doch zugleich Anmuthiges in den Gestalten.
Am merkwürdigsten ist der Besuch der Apostel bei der Madonna.
Man sieht in einer offenen Halle die h. Jungfrau im Kreise der Apostel
sitzen, die auf Bänken ringsum Platz genommen haben. Andre Heilige
kommen in drangvoller Eile durch die Lüfte geflogen, um sich an der
Versammlung zu betheiligen. Eine der merkwürdigsten Compositionen,
voll jener poetischen Züge, an welchen die sienesische Kunst reich ist.
Wir erinnern an das originelle Altarbild Simone Martinfs, wo der
heilige Nährvater dem Jesusknaben liebevolle Vorwürfe macht, dass er
die Eltern verlassen; erinnern an Lorenzettfs Fresken im Rathhause,
an den sicher ebenfalls auf sienesische Hand hinweisenden Triumph
des Todes im Camposanto zu Pisa und andres der Art.
Eine Madonna vom Jahre 1400 im Spedale zu Siena, ein iiguren-
reiches grosses Altarwerk mit der Himmelfahrt Maria im Dom zu
Montepulciano von 1401, mehrere Altarbilder von 1403 in der
Akademie zu Perugia und in S. Agostino daselbst (hier eine Aus-
giessung des h. Geistes, steif angeordnet und dabei übertrieben im
Ausdruck), eine Geburt Christi in der Kirche der Servi zu Siena
vom Jahre 1404 (4. Kap. rechts), ein Freskencyclus im Dom zu
S. Gimignano, mit Paradies und Hölle, letztere in der widerwärtigen
Phantastik, welche jene Zeit bei solchem Gegenstande verlangte, sind
Beweise von der rastlosen Thätigkeit Taddeds, aber auch von der
immer grösseren Flüchtigkeit, in welche seine handfertige Kunst ver-
fiel. Den noch vorhandenen Kontrakten zufolge scheint er niemals
mehr als zwei Monate Zeit selbst für die umfangreichsten Werke ge-