Kapitel.
Epoche.
Gothische
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diabolisches Scheusal mit Hauern und Hörnern, von ieinem Panzer und
blutrothem Mantel umhüllt, Gift und Dolch in den Händen, zu ihren
Füssen ein Bock. Ueber ihr schweben Geiz, Hochmuth und Eitelkeit,
zu ihren Seiten sieht man, entsprechend den sechs Tugenden bei dem
guten Regiment, eben so viele Laster, und zwar Grausamkeit, Verrath
und Betrug, Wuth, Zwiespalt und Krieg. Unter den Füssen der
Unholdin liegt die gefesselte Gerechtigkeit, mit aufgelöstem Haar,
verzweiftlungsvoll weinend. Ihre Waage ist zerbrochen, Laster und
Verbrechen erheben sich ungescheut, Uebelthäter reissen einer Frau
die Kleider vom Leibe, andre haben einen Mann erschlagen. Im
Hintergründe sieht man zerstörte Burgen und verwüstete Felder, und
eine Stadt, über deren Thor die drohende Gestalt des Schreckens mit
entblösstem Schwerte Wache hält. Die entsetzensvollen Scenen, an
denen die Städte des damaligen Italiens so reich waren, mögen hier
dem Künstler lebendig vorgeschwebt haben. Unter den Bildern sieht
man die sehr zerstörten grau in grau gemalten Figuren der sieben
freien Künste als Folgen des guten Regiments, und eine Reihe von
gewaltthätigen Menschen, zur Bezeichnung der Tyrannei.
Unter den übrigen Künstlern von Siena ist zunächst Jacopo dri
Mino, der auch von seinem Vater, einem Pelzhändler, wohl den Zu-
namen del Pelliciajo führt, und von dem wir wissen, dass er sich 1344
verheirathete und 1396 nicht mehr am Leben war. In der Sammlung
der Akademie sieht man von ihm eine grosse Altartafel vom Jahre
1362, mit seinem Namen bezeichnet, die Madonna zwischen Engeln
und Heiligen darstellend, ein Werk von feierlicher Haltung, aber mit
anmuthigenund liebenswürdigen Zügen. Bedeutender ist ein andrer
Künstler, dessen Namen zwischen Berna (Bernardo) und Bama (Bar-
naba) schwankt, angeblich 1381 gestorben. Er scheint ein angesehener
Meister gewesen zu sein, da er öfter nach auswärts berufen wurde.
In Rom scheinen von ihm die stark übermalten Darstellungen am
Tabernakel des Laterans herzurühren, welche diethronende Madonna
mit einem knieenden Stifter, die Verkündigung, die Krönung der
Jungfrau und andre Scenen aus ihrem Leben in einem anmuthig wei-
chen Stile enthalten. Im Dom zu Arezzü Sieht man Von ihm einen
Orucitixus mit einem knieenden Donator, daneben die Madonna und
St. Michael, Johannes der Evangelist und St. Franziskus, ein ebenfalls
stark beschädigtes Werk. Besser ist es den Fresken aus dem Leben
des Heilandes ergangen, welche er in der Hauptkirche von St. Gi-
mignano im südlichen Seitenschiif ausgeführt hat. Hier sind die so
Liibke, Italien. Malerei. I. 12