III.
Kapitel.
Gothische
Epoche.
155
nungen die Dreifaltigkeit, die Verkündigung, Alles in einem ener-
gischen streng giottesken Stil, in klarem freskoartigen Ton ausgeführt,
die kleinen Geschichten voll dramatischen Lebens
Einer der fruchtbarsten Künstler dieser Schule ist der in Afezzo
geborene Spinello Aretino, der Sohn eines florentinischen Malers und
Schüler des Jacopo da Casentino. Ueber fünfzig Jahre hat dieser
überaus Heissige und handfertige Meister in Florenz und den meisten
andern Städten Toskana's eine grosse Anzahl von Wandgemälden und
Tafelbildern ausgeführt. Seine frühesten Arbeiten datiren um 1350,
als er verschiedene Aufträge zu Florenz auszuführen hatte, und seine
letzten Werke entstanden 1408, wo er in Siena thaltig war. Von dort
in seine Vaterstadt zurückgekehrt, starb er daselbst im Frühjahr 1410
in dem hohen Alter von 92 Jahren. Spinello ist der eigentliche
Legendenerzähler der Schule; ohne hervorragende Tiefe und Kraft,
zeichnet er sich durch Lebendigkeit der Phantasie und leichtfliessende
Darstellungsgabe aus. Gelegentlich bis zu flüchtiger Oberflächlichkeit
ausartend, weiss er doch wieder durch manchen naiven lebensvollen
Zug zu fesseln. Seine Farbe neigt etwas zur Buntheit, aber durch
die grossen Massen der iwohlmodellirten Gewänder erhalten seine Bilder
doch ein kraftvolles und oft sogar ein harmonisches Gepräge. In den
Compositionen ungleich, bisweilen locker und ungenügend, erreicht er
doch andrerseits häufig lebendige Gruppirung, Reiohthum und Mannig-
faltigkeit dramatischen Ausdrucks. zu seinen früheren Arbeiten ge-
hört vielleicht die phantastische Darstellung vom Sturze Lucifer's im
Campanile von S. Francesco zu Arezzo, wo die Thaten des h. Michael
zu schildern waren, der als himmlischer Vorkämpfer im Mittelalter
seine Kapelle stets in den Thürmen hatte. Denselben Gegenstand
behandelte er dann noch einmal in der Compagnia degli Angeli
daselbst, und an die phantastische Missgestalt Lucifefs, die er hier zu
Stande gebracht hatte, knüpfte sich später die Sage, dass der Teufel,
indignirt über solche Verunglimpfung, ihm in derselben Schreckens-
gestalt Nachts im Traume erschienen sei und ihn zur Rede gestellt
habe, warum er ihn in solcher Weise geschildert. Aus Schrecken
über diesen Traum sei dann der Künstler gestorben. Die Anekdote
ist bemerkenswerth als Zeugniss von dem nachhaltigen Eindruck der
Kunstwerke auf die Volksphantasie. In Wahrheit starb übrigens der
Künstler nicht so früh, auch nicht an den Folgen eines solchen Trau-
mes. Unter seinen späteren Werken sind die seit 1337 ausgeführten
Wandgemälde in der Sakristei von San Miniato bei Florenz zu