Kapitel.
Gothische Epoche.
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Ehren Gottes, der Jungfrau Maria und aller Heiligen abfasst, aber
zugleich in Verehrung des Giotto, Taddeo und seines LehrersäAgnolo.
Ein warmes Gefühl von der Würde und Höhe der Kunst erfüllt ihn;
desshalb verlangt er, dass die Jünger der Kunst sich mit Liebe, Furcht,
Gehorsam und Ausdauer schmücken sollen, und dass ihr Leben so
beschaffen sei, als hätten sie Theologie, Philosophie oder andre Wissen-
schaften zu studiren. Jeder soll sich dann einen Meister wählen, dessen
Weise er sich treu anzuschliessen hat, damit nicht die Neigung zu
jedem Stile ihm den Kopf verwirre und ihn zum Phantasten mache.
Er selbst habe zwölf Jahre bei seinem Meister gelernt, Taddeo Gaddi
aber sei sogar vierundzwanzig Jahre in Giotto's Schule gewesen, der
freilich die Kunst vollkommner gehandhabt als je Einer. Die ange-
nehmste und schönste Arbeit nennt er die Freskomalerei; aber auch
für die Tafelmalerei giebt er genaue Vorschriften und meint, das sei
eine feine Arbeit, die man sogar in einem Sammetanzug betreiben
könne. Im Ganzen kommt er über den trockenen Ton von Recept-
angaben nicht hinaus; aber es ist doch bezeichnend, dass er bereits
Vorschriften über die Proportionen des menschlichen Körpers macht;
freilich giebt er nur die Maasse des männlichen Körpers, indem er naiv
bemerkt, die der Frau werde er bei Seite lassen, weil sie keine rich-
tigen Maasse habe. Hierfür weist er den Schüler an die Natur, und
dasselbe gilt von den unvernünftigen Thieren, denen er ebenfalls keine
rechten Verhältnisse zugesteht. Man soll daher auch sie nach der Natur
zu zeichnen versuchen. Man sieht in alledem die Schranken der mittel-
alterlichen Anschauung, aber doch zugleich eine Summe technischer
Erfahrung und ein lebhaftes Gefühl von der Würde der Kunst, wie
es schwerlich damals im ganzen Norden zu finden war. Namentlich
aber erkennt man, wie mangelhaft und beschränkt noch das Natur-
gefühl war; räth er doch sogar, wenn man Felsen darstellen wolle,
sich dafür einige ungeglättete grosse Steine in der Werkstatt zu halten.
Keine Ahnung davon, dass man einfach nach der umgebenden Natur
seine Studien machen könne. Dieser Art sind. denn auch die land-
schaftlichen Gründe Giottds und seiner Schule.
Als ein dem Giotto ebenfalls noch sehr nahe stehender Künstler
tritt uns Nicolaus Petra" (Niccolö di Piero Gerino) entgegen. Er geht
besonders auf Energie des Ausdrucks und Schärfe der Charakteristik
aus, schliesst sich im Ganzen der schlichten Darstellungsweise Giottds
an, sucht aber durch reichere episodische Züge und ausgebildetem
architektonischlandschaftliche Gründe die Wirkung zu steigern. Sein