Kapitel.
Epoche.
Gothische
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sein, ja es ist nicht unwahrscheinlich, dass die Composition des Ganzen
im Wesentlichen sein Werk ist. Was freilich die Ausführung betrifft,
so sind zum Mindesten zwei ganz verschiedene Hände darin anzu-
erkennen. Der Inhalt dieses umfangreichen Cyclus läuft auf die Ver-
herrlichung des h. Dominlikus und seines Ordens hinaus, wobei denn
der Gegensatz der Auffassung zu den so häuüg vorkommenden Ver-
herrlichungen des h. Franziskus überaus charakteristisch erscheint.
War dort das Leben des Heiligen durch den Reichthum an gemüth-
liehen legendarischen Zügen einer episch dramatischen Darstellung
günstig, so hielt man hier eine lehrhafte Tendenz fest, und der Stolz
des Predigerordens scheint sich in Entfaltung einer dogmatisch-scho-
lastischen Weisheit Genüge gethan zu haben. Ohne Frage ist das
Programm von den gelehrten Mönchen des Klosters ausgearbeitet und
den Künstlern unterbreitet werden; diese mochten zusehen, wie sie sich
mit dem zum Theil trocknen Stoff abfanden. An der Eingangswand
liess man das Leben des Ordensstifters in einer Reihe von Bildern
darstellen, welche fast gänzlich verblichen sind. Doch sieht man noch
seine Predigt, die Erweckung eines Mädchens vom Tode, seine Ent-
hauptung und einiges Andre. An der Altarwand ist sodann das Leiden
Christi geschildert, und zwar links mit der Kreuztragung beginnend.
Man sieht die Wendung des Zuges den Hügel hinauf; die Figuren
sind lebendig gedacht, kämpfen aber noch mit Ungeschick und Steif-
heit der Bewegung; die Köpfe zeigen den echt giottesken Typus,
namentlich die schmal geschlitzten Augen. Der Künstler hat die
originelle Idee gehabt, die einzelnen Scenen nicht zu trennen, vielleicht
das erste Beispiel dieser später so oft wiederholten Anordnung. So
langt denn der Zug oben in der Mitte an, wo die Kreuzigung in
{igurenreicher Darstellung vorgeführt wird. Nicht sehr gelungen ist
hier der klagende Ausdruck der Frauen. Gleich daneben sieht man,
wie Christus die Pforten der Hölle überwältigt, eine etwas zahme Be-
handlung dieses bedeutenden Themas Bedeutender zeigt sich am
Gewölbe die Auferstehung, wo die schlafenden Kriegsknechte sehr
natürlich geschildert sind, die beiden Engel überaus grossartig, auch
die Gestalt Christi edel und würdevoll. Bei der Erscheinung im Garten
verräth besonders Maria rührende Innigkeit des Ausdrucks- Auch die
Himmelfahrt an der entgegengesetzten Gewölbkappe ist eine im Ganzen
tretfliche Composition.
Merkwürdiger indess sind die übrigen Darstellungen an den
Wänden, welche eine allegorische Verherrlichung des Dominikaner-
Lübke, Italien. Malerei. I. 19