III.
Kapitel.
Epoche.
Gothisclae
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vollsten Erzähler und gewaltigsten Dramatiker. YVas früher conven-
tionell war, streift er hier völlig ab , packt den Gegenstand bei dem
innersten Kern und schildert ihn nach seinem ethischen Gehalt. Er-
schütternd, innig, rührend, jede Seeierlstimmung zum vollen Ausdruck
bringend, giebt er überall im Einfachen, Üngesuchten das Höchste.
Nur im leidenschaftlichen Schmerz werden die Gesichter biswgilen
verzerrt. Bei dem Mangel genauerer anatomischer Studien und Kennt-
nisse ist es immer bloss die allgemeine Andeutung, mit der er wirkt,
so auch im Colorit; aber diese ist stets von schlagender Gewalt und
unwiderstchlichem Eindruck. Dabei wirft er überraschende Blicke in's
wirkliche Leben und zieht selbst genrehafte Motive hinein, die er mit
solcher Würde zu behandeln weiss, dass sie dem Heiligen, Grossen,
Historischen keinen Abbruch thun, sondern es nur noch heller in's
Licht setzen.
Die Reihenfolge beginnt mit der Jugendgeschichte Maria, die von
der mittelalterlichen Kunst wegen ihres idyllisch legendarischen Cha-
rakters stets mit besondrer Vorliebe geschilderhworden ist. Die ersten
Scenen namentlich zeichnen sich durch die erdenklichste Einfachheit
und Knappheit der Composition aus, aber auch ebenso durch ergrei-
fende Macht des Ausdrucks. So in dem ersten Bilde, wo Joachim's
Opfer verworfen wird, und mit fast ilngläubiger Bestürzung der Zurück-
gewiescne den Hohenpriester anblickt. Tief bekümmert, ganz in sich
versunken kehrt er in die Einsamkeit zurück, ohne zu bemerken, wie
der Hund liebkosend an ihm heraufspringt und zwei junge Hirten ihn
theilnahmvoll betrachten. Dann erscheint der Engel der im Gebet
versunkenen Anna, die durch den Gegensatmmit dcr äusserst lebens-
Wahren Figur der, spinnenden Dienerin an Innigkeit des Ausdrucks
noch gewinnt. Beim Opfer Joachims ist die ehrfurchtsvolle Scheu
des am Boden knieenden Greises durch die herrliche Gestalt des Engels
und den zuschauenden jungen Hirten trefflich hervorgehoben. Die
Thiere, Welche hier und anderwärts vorkommen, lassen zwar tiefere
Naturstudien vermissen , sind aber von prägnanter Bewegung. Die
Landschaften bestehen aus ziemlich conventionellen Felsen, über welche
einzelne Blumen, Gräser und Bäume verstreut sind; diese aber zeugen
durchweg wieder von guten Naturstudien. So auch auf dem folgenden
Bilde, wo Joachim mit ergreifendem Ausdruck tiefsten Versunkenseins
am Boden kauert und zwei Hirten in Staunen auf den vom Himmel
herabschwebenden Engel blicken. Ausserordentlich innig ist sodann
die Begegnung Joachims und Anna's an der goldnen Pforte; wie zart