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Buch.
Mittelalter.
Das
innige Gottvertrauen des Heiligen gegen den leidenschaftlichen Zorn
des Vaters, die lebendige Theilnahme der Zuschauer, die stille Genug-
thuung der Geistlichkeit, die ruhige Würde des Bischofs, der den
entblössten Jüngling mit seinem Mantel bedeckt. Wie wirksam ist
der genrehafte Zug, dass zwei Kinder, die im Begriff sind Franziskus
mit Steinen zu werfen, plötzlich an ihrem Vorhaben irre werden und
inne halten. Nichts thörichter als Giotto wegen solcher genrehaften
Züge zu tadeln; sie verstärken wesentlich den Eindruck, denn die aus
dem alltäglichen Leben geschöpften Figuren lassen die ideale Würde
und vornehme Hohheit der Hauptgestalten um so bedeutsamer hervor-
treten. Nicht minder lebensvoll ist die mit Recht schon von Vasari
gerühmte Figur des Bauern, der sich auf die Erde hinstreckt, um aus
der durch den Heiligen hervorgezauberten Quelle zu trinken. Man
kann lechzenden Durst nicht Wahrer schildern. Ausserdern ist dasselbe
Bild eines der zahlreichen Beweise von der ausdrucksvollen Knappheit
der Composition. Und wie lebendig ist die Bestürzung in dem Bilde,
wo der plötzliche Tod des Herrn von Celano geschildert wird, dem
der Heilige das schleunige Ende prophezeit hat. Wie naturwahr ist
die Scene, wo Franziskus die Zweifel des Papstes beseitigt, indem er
diesem im Traum erscheint und ihm ein Glas mit Blut aus seiner
Seitenwunde darreicht. Wie lebenswahr sind hier wieder die Diener,
von denen der eine schläft, zwei mit einander plaudern und der letzte
seinen Rosenkranz betet.
Von seinen römischen Werken ist die Composition der Navicella.
in der Vorhalle von S. Peter zwar durch später-e Restaurationen
arg entstellt, aber in Qxford findet sich die, früher im Besitz VasarYs
gewesene Skizze Giotto's. (Fig. 41.) Man sieht das Schiff, welches
die Apostel führt, mit den WVinden kämpfen, deren Figuren nach
antiker Weise, aber doch schon in's mittelalterlich Dämonische über-
setzt, allegorisch in den Wolken sich zeigen. Petrus, auf das Geheiss
des Herrn ausgestiegen, ist im Begriff zu versinken, wird aber von
Christus gerettet. Vier Gestalten {Ion Heiligen schauen aus dem Him-
mel herab, während in der einen Ecke unten ein auf felsigem Ufer
sitzender Fischer die Angel auswirft, in der andern das "Brustbild des
betenden Kardinals Stephaneschi als Stifter des Bildes erscheint. Trotz
der starken Veränderungen ist doch genug zu erkennen, um die streng
geschlossene, meisterlich abgewogene Composition zu bewundern. Und
wie ist Filrcht und Schrecken bis zur Verzweiflung in den Gebärden
und Stellungen der Apostel ausgedrückt, wie hülflos knickt Petrus von