III. Kapitel.
Gothische Epoche.
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älteren Stil Cimabue's losringt. Aber man fühlt, Welche Wonne es
für den jugendlichen Meister sein musste, ein völlig neues Gebiet zu
erobern und zum ersten Mal den ganzen Reichthum der Franziskus-
Legende künstlerisch zu entfalten! Wir sehen, wie der Heilige schon
früh, als Sohn eines reichen Bürgers von Assisi, dem Wohlleben ent-
sagt und sich durch Mildthätigkeit auszeichnet, Dürftigen sein Gewand
darreicht und dann, durch nächtliche Visionen bestimmt, sich gänzlich
dem klösterlichen Leben hingiebt. Wie dann der Vater ihn vor die
Obrigkeit ladet, um ihn wegen seiner Verschwendung zu rügen und
die Wiedererstattung des ihm dargeliehenen Geldes zu verlangen, wie
aber nun Franziskus das letzte, das er noch besitzt, seine Kleider
ablegt, sie dem bestürzten Vater darbietet und sich fortan, von dem
frommen Bischof beschützt, der seine Blösse bekleidet, einzig dem
Vater im Himmel gelobt. Wie sodann Innocenz III. im Traum den
armen Ordensbruder die zusammenbrcchende Kirche stützen sieht, und
sofort die Satzungen des von ihm gegründeten Bettelordens bestätigt.
Nun folgen Wunderthaten des Gottesmannes und der Scinigen: Teufel.
werden ausgetrieben, Üngläubige bekehrt, selbst vor dem Sultan be-
währt Franziskus seine göttliche Sendung durch die Feuerprobe und
macht die Götzendiener zu Schanden. Immer höher steigt schon bei
Lebzeiten seine Verehrung; seine Jünger erblicken ihn in wunderbaren
Visionen, wie er in einem himmlischen Wagen von Licht umstrahlt
dahin fährt, oder in einer Wolke knieend von Gott selbst Unterweisung
empfängt, dem h. Antonius von Arles bei der Predigt leibhaftig er-
scheint, vor Allem aber, wie ihm in der Gebirgseinsamkeit Christus
in Gestalt eines gekreuzigten Seraphs erscheint, um ihm seine Wund-
male einzuprägen. Da letzteres Wunder schon damals auf hartgläubige
Gemüther stiess, so durfte eine Entkräftung solcher Zweifelsucht auch
in den Bildern nicht fehlen, und so liessen die klugen Mönche von
Assisi darstellen, wie ein skeptischer Doctor, ähnlich dem ungläubigen
Thomas, durch Berühren der Wunden mit dem Finger plöfZliCh in
sich geht und bekehrt wird. Es fehlt sodann nicht an allerlei andern
Wundern, Welche neben dem Tode, der Beisetzung und der Kanoni-
sation des Heiligen den Cyclus schliessen. Es ist eine Mönchskunst,
die sich hier breitentfaltet, zum Theil Unmögliches, ja Absurdes vom
Künstler verlangend, dann jedoch wieder treifliche Gelegenheit zu
lebensvoller, ja dramatischer Darstellung bietend. In dieser Hinsicht
ist eins der köstlichsten Bilder jene Scene, wo Franziskus von seinem
Vater bei den Behörden verklagt wird. Wie schön contrastirt das