III.
Kapitel.
Gothische Epoche.
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habe die Malerkunst aus dem Griechischen in's Lateinische übgrsgfzt
Selbst noch Leo Battista Alberti rühmt ihn allein unter den Modernen
neben den grossen Meistern des Alterthums.
Fasst man Giottds Schöpfungen in's Auge, so erscheinen Sie auf
den ersten Anblick nicht so unbedingt anziehend, namentlich gegenüber
der feierlichen Hoheit Cimabuds und der vornehmen Anmuth Ducciys
Jene Meister hatten auf der Basis eines traditionellen Formgefühls
nach höchster Schönheit gestrebt, so weit sie dieselbe zu erreichen
vermochten. Giotto verlasst diese Richtung und setzt an die Stelle des
Strebens nach Schönheit dasjenige nach ergreifender Wahrheit. Seine
herbe, echt männliche Kunst schüttelt die letzten Fesseln byzantinischer
Tradition ab, stellt sich dem kirchlich Ueberlieferten frei gegenüber,
ja er ist der erste, Welcher an Stelle der religiösen Anschauung die
rein künstlerische setzt. Doch bleibt er so sehr Sohn seiner Zeit, dass
die kirchlichen Aufgaben ihm die Seele bewegen; nur dass e1' aus
einer tieferen Beobachtung des Lebens und der Natur eine Fülle neuer
Motive schöpft, den kirchlichen Inhalt auszudrücken. Man hat ihm
desshalb wohl den Vorwurf des Naturalismus, ja selbst den der Frivo-
lität gemacht. Ein Blick auf seine Werke genügt, um solchen Tadel
zu entkräften.
Spricht man bei Giotto von Naturalismus, so hat dies nur in sehr
bedingter Weise Geltung. Was zunächst den Stoffkreis betrifft, so
ist derselbe bei ihm fast ausschliesslich der kirchliche seiner Zeit; aber
das einzelne Andachtsbild in seiner feierlichen Ruhe tritt zurück vor
der Fülle geschichtlichen und legendarischen Stoffes, wie er im lieben
Christi, der Madonna und der Heiligen, besonders des Hauptheiligen
der Zeit, St. Franziskus sich bietet. Die tiefe religiöse Erregung,
Welche eben dieser Heilige, der den Reichthum und Glanz der Welt
verachtete, und die Armuth und Entsagung wählte, in allen edleren
Gemüthern erregte, fand nirgendseinen so mächtigen Widerhall wie
in den Schöpfungen der Malerei. Giotto vor Allen ist es, der diese
subjective Stimmung des Gemüthes in den heiligen Geschichten zum
ersten Mal, im Gegensatz zu der mehr objectiven Ruhe und Feier-
lichkeit der früheren Kunst, zum Siege führt, In sofern ist er ein
grosser Neuerer und selbst Revolutionär, da er an die Stelle des ab-
soluten kirchlichen Dogmafs die Empfindung des Individuums und seine
Stellung zu der kirchlichen Tradition setzt. Desshalb strebt er in erster
Linie nach packender, ja ersohütternder Gewalt des Ausdrucks, und
Selbst wo er typisch überlieferte Motive seinen Compositionen einver-