Giotto
Bondone.
Der grosse bahnbrechende Genius, von welchem die Neugestaltung
der italienischen Malerei ausgehen sollte,- Wurde im Jahre 1276 als
Sohn eines armen Landmannes Namens Bondone in dem Dorfe Ves-
pignano unweit Florenz geboren. Vasari erzählt nach einer. alten
Ueberlieferung, Cimabue sei einst des Weges gekommen und habe
den Knaben bei seiner Heerde angetroffen, bemüht auf einem Steine
ein Sehaaf nachzuzeiehnen. Ueberrascht von dem Talent des kleinen
Giotto, habe er diesen von dem Vater erbeten und ihn mit sich ge-
nommen, um ihn in der Malerei zu unterweisen. Nach einer andern
Version hätte der Vater den Knaben zu einem Wollhändler in die
Lehre gegeben; dieser wäre aber bei seinem Wege in's Geschäft stets
bei Cimabue's Werkstatt stehen geblieben. Als nun der Vater einst
auf die Erkundigung nach seinem Sohne bei dem Lehrherrn von
diesem erfahren, dass derselbe sich seit langer Zeit gar nicht mehr
blicken lasse, sei sein Verweilen bei den Malern an's Licht gekommen,
und nun habe Cimabue ihn unter seine Schüler aufgenommen.
Ob diese Anekdoten auf wirklichen Ereignissen beruhen, muss
dahin gestellt bleiben; jedenfalls spricht sich in ihnen das historische
Verhältniss ganz treffend aus, denn Cimaburfs Kunst ist es, an welcher
sich die grössere und freiere Giotto's entwickelt hat. Schon sehr früh
scheint dieselbe in ihrer Eigenthümlichkeit hervorgetreten zu sein, denn
die 28 Bilder aus der Geschichte des h. Franziskus, welche man an
den Langwänden der Qberkirche zu Assisi sieht, und in denen man
wohl Jugendwerke Giotto's anzuerkennen hat, knüpfen in Technik
und Auffassung an Cimabuds Wandgemälde an und lassen bei weiterem
Fortschreiten eine wstufenmässige Entwicklung des jugendlichen Künst-
lers gewahren. Wie früh dieser in weiteren Kreisen zu Anerkennung
gekommen sein muss, beweist die verbürgte Thatsaehe, dass er von
1298 bis 1300, also mit 22 Jahren, in Rom mit bedeutenden Auf-
trägen beschäftigt war. Er musste dort im Auftrage des Kardinals
Stefaneschi, eines Nepoten Ürban's VIII, nicht bloss die Apsis der
Peterskirche ausmalen und obendrein eine grosse Altartafel ausführen,
sondern auch für die Vorhalle der Kirche das berühmte Mosaik des
Schiffes Petri entwerfen, Welches in stark restaurirtem Zustande noch
vorhanden ist. Von dem Altarwerk sind einzelne Üeberreste in der
Sakristei von St. Peter erhalten. Wie hoch schon damals Giomys
Liibke, Italien. Malerei. I. B