Kapitel.
III.
Epoche.
Gothische
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der sich als der erste wahrhaft moderne Mensch erhebt und durch
die Macht seiner Persönlichkeit und die leidenschaftliche Liebe zum
lalassischen Alterthum der mittelalterlichen Weltanschauung- den Todes-
stoss versetzt. Man kann sagen, dass mit seiner Diehterkrönung auf
dem Capitol die neue Zeit beginnt. Und in anderer Weise zeigen sich
dieselben Tendenzen in Cola di Rienzi, dessen allerdings phantastischem
Auftreten die glühendste Liebe zum klassischen Alterthum und das
Gefühl der freien Persönlichkeit zu Grunde liegt. Und als stärksten
Ausdruck der allgemeinen Stimmung, durch welche diese grogggn Er-
seheinungen hervorgerufen und getragen werden, dürfen wir die merk-
würdige Thatsache verzeichnen, dass als Cola nach dem Fehlschlagen
seiner politischen Plane des Hochverraths angeklagt wurde, die zu
seiner Verurtheilung eingesetzte Commission von Kardinalen ihn frei-
sprach, weil er ein Dichter und durch diese Thätigkeit geheiligt sei.
Das Alles sind Züge einer tief erregten Subjeetivität, Vorboten eines
neuen Lebens, von welchen man um diese Zeit im ganzen Norden
noch keine Ahnung hat.
Dasselbe Gegengewicht, Welches wir hier der speciiisch mittel-
alterlichen Auffassung gegenübertreten sehen, bekundet sich nun auch
in den Schöpfungen der Kunst. Dass die Architektur am stärksten
von den aus dem Norden empfangenen Einflüssen bewegt wird, ist
leicht zu verstehen. S0 hinreissend muss die Ueberlegenheit der
gothischen Architektur auf die damaligen Italiener gewirkt haben, dass
sie sogar wiederholt fremde Künstler beriefen, wenn es galt, bedeutende
Werke auszuführen. Bei S. Franeesco zu Assisi ist dies, wie wir
sahen, bezeugt; ebenso später heim Dom zu Mailand. Aber so ent-
schieden empfand man doch schon damals in Italien die Berechtigung
der eignen Anschauung, dass gleich beim ersten dieser Gebäude, eben
bei jener Kirche des h. Franziscus, bedeutende Umgestaltungen im
Sinne südlicher Auffassung dem fremden Meister auferlegt wurden.
Der klare, aus der Antike hervorgewachsene und an ihr selbst unbe-
wusst genährte Sinn Italiens verlangte einfachere, übersichtlichere
Raumgestaltung, breite behagliche Ausdehnung UIICI massige Höhen-
entwicklung, Vereinfachung der übergrossen Detailfülle und vor Allem
weite Flächen an Wänden und Gewölben, um für die monumentale
Malerei Raum zu behalten. Dies Alles sind Züge, welche der gothischen
Architektur viel von ihrer mystischen Phantastik rauben, indem sie das
Bauwerk den schlichteren Ordnungen der einheimischen Basilika näher
bringen; auch die Vorliebe für Holzdecken oder offne Dachstühle,