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Buch.
Mittelalter.
Das
gemacht. Noch eine andre Tafel für Sta. Trinita und weitere für
Lucca, Pisa, Pistoja, ebenso das Altarbild für die Kapelle des Palazzo
PubbIiCO zu Sißna (C1302) sind sämmtlich verschollen. Nur ein einziges
seiner Werke ist uns übrig geblieben, dieses aber die bedeutendste
Schöpfung, mit Welcher die Kunst der romanischen Epoche ihren
denkbar höchsten Gipfel erreicht. Es ist die kolossale Tafel für den
Hochaltar des Doms, welche laut Contrakt vom 9. October 1308 ihm
übertragen wurde. Wie hoch die städtische Behörde ihn schätzte,
erkennt man aus den ehrenvollen Bestimmungen dieses Dokuments:
Alle Materialien werden ihm geliefert, so dass er nichts als seine Person
und seine Arbeit einzusetzen hat. Statt eines vorher bestimmten
Preises wird ihm ein Lohn für jeden Tag, den er daran gearbeitet,
zugesichert; dagegen verspricht er zu malen „so gut er könne und
wisse und der Herr ihm vergönnen werde". Als das Werk vollendet
war, wurde es im Triumph von der ganzen Stadt unter Assistenz des
Klerus und der Behörden aus der Werkstatt des Künstlers abgeholt
und unter Glockengeläut und Trompetenklang in feierlicher Prozession
mit Kerzen in den Dom gebracht. Noch sind die Stadtrechnungen
vorhanden, in welchen der Lohn für Trompeter, Paukenschläger und
Pfeifer verzeichnet ist. Es war ein Festtag für die ganze Stadt, alle
Kaufläden waren geschlossen, und die Chronisten wetteifern in Schil-
derung all der Herrlichkeit und rühmen das Bild als das schönste,
welches man je gesehen. Ueber 3000 Goldgulden habe die Tafel ge-
kostet, eine für jene Zeit bedeutende Summe.
Das grossartige "Werk ist noch vorhanden, wenn auch nicht mehr
in seinem alten Zustande. Denn da der Altar unter der Kuppel frei
stand, so war die Tafel vorn und auf der Rückseite bemalt, wurde
dann aber bei der Verlegung des Altars auseinander gesägt, so dass
jetzt die Vorderseite im nördlichen, die Rückseite im südlichen Quer-
schiff aufgestellt ist, Predella. und Griebelbilder aber in der Sakristei
bewahrt Werden. Die Vorderseite zeigt in kolossaler Grösse die Ma-
donna, das mit einem Hemdchen bekleidete Kind auf dem Schoosse
haltend. Zu beiden Seiten eine Schaar anbetender Engel und Heiligen
sammt den Aposteln, reihenweise angeordnet noch in strenger Haltung,
aber schon voll Schönheit, die Madonna selbst von grossartiger An-
muth. Auf der Rückseite schildert der Künstler in 26 kleineren
Bildern die Passion des Herrn, vom Einzuge in Jerusalem bis zu dem
Gange nach Emmaus. Hier tritt bei der Mannigfaltigkeit des Inhalts
eine Fülle von Leben, ja bereits von freier Schönheit in die Kunst.