Buch
Mittelalter.
Das
neue Testament, die Heilslehre von der Erlösung in umfangreichen
Darstellungen auf allen Gewölbflachen aus. In der Hauptapsis sieht
man den thronenden Erlöser, unter ihm zwischen den Fenstern die
Evangelisten. Noch einmal kehrt er wieder über dem Haupteingang,
begleitet von Maria und dem h. Marcus: so bildet er Anfang und Ende
des Ganzen. Die drei Kuppeln des Mittelschiffes sind sodann der
Schilderung der Dreieinigkeit gewidmet: östlich Gottvater, in der Mitte
Christus, westlich der h. Geist, sämmtlich von einer ganzen Schaar
von Aposteln, Heiligen, Engeln und Tugenden umgeben, welche letz-
teren man von der geweihten Siebenzahl auf sechzehn erhöht hat.
Gerade in diesen Gestalten tritt in eigenthümlich poetischer Weise ein
Anklang an antike Figuren, an Göttinnen, Musen u. dgl. anziehend
hervor. Am meisten byzantinischen Eindruck machen in den Kuppeln
des Querschiffs die Scenen aus dem Leben Christi mit ihren überlangen
Gestalten und der etwas gezierten Feierlichkeit des Ausdrucks. In
den Seitenschiffen begleiten die Martyrien von Heiligen, namentlich
des Petrus und der übrigen Apostel die Hauptdarstellungen, diese zum
Theil in einem derberen Stil, der immer noch einzelne Byzantinismen
und selbst Anklänge an die Antike enthält, im Wesentlichen aber einer
mehr selbständigen einheimischen Kunst des 13. Jahrhunderts ange-
hört. Das Ganze dieses grossartigen Bildercyclus stellt sich in echt
mittelalterlichem Geist als gemalte biblia pauperum dar, als kolossales
aufgeschlagenes Bilderbuch für die „Armen im Geistea, die des Lesens
unkundig sind.
Die Thätigkeit dieser byzantinischen Schule beschränkt sich je-
doch nicht auf Venedig; sie verbreitet sich über die nächste Umgebung
und dringt selbst in weitere Kreise vor. Der Dom von Torcello,
eine wohlerhaltene altchristliche Basilika, zeigt ein grosses Mosaik in
der Apsis, welches in streng byzantinischer Weise mit griechischer
Beischrift die Muttergottes mit dem Kinde stehend zeigt, neben ihr
zu beiden Seiten mehrere Heilige, darunter die zwölf Apostel in herb
typischer Auffassung, vielleicht noch Arbeiten vom Anfang des 11. J abr-
hunderts. In derselben Kirche ist sodann an der Westwand als feier-
liche Warnung das jüngste Gericht dargestellt; ausserdem die Kreuzigung
Christi, sein Hinabsteigen zur Unterwelt und die Auferstehung. Diese
Werke tragen das Gepräge des Byzantinismus, wie er etwa im 12.
und 13. Jahrhundert auch in S. Marco vorkommt. Streng byzantinisch
ist auch das Mosaik in denApsis des Doms zu Murano, Welches
ebenfalls die Muttergottes mit dem Kinde in gewaltiger Grösse und